Materialien, Ergänzungen, Grundlagen zum neuen Buch von Markus Frauchiger (2015)

Alternatives Vorwort:

Update Sommer 2014: in den letzten Jahren scheint mir auf der kollektiven, gesellschaftlichen Ebene das oben beschriebene Gleichgewicht mehr und mehr zu kippen in die Dimension des kruden Egoismus (vgl. mein Konzept der Narzissmus-Regulation in Kap. XX), eines Jeden-gegen-Jeden, einer neuen sozialen Kälte, welche, diesmal unterfüttert mit Konsum und Marketing, unsere Kultur des Füreinander-da-Seins in einen erneuten seelischen Kriegszustand der Wohlhabenden und Wohlstandsverwahrlosten zu verwandeln droht.
Ich hab mich doch sehr erschrocken, als ich neulich erfuhr, dass in gewissen "alternativen" Psychotherapieszenen spöttisch von "Agency" gesprochen wird, wenn Menschen sich kümmernd und sorgend ihrer Mitwelt begegnen. "Agency" bedeutet in diesem Zusammenhang eine ungute Art des sich Aufopferns, des Altruismus und des "Helfersyndroms" (Wolfgang Schmidbauer), eine Haltung der Kooperation, des sozialen Zusammenhaltes, ohne die es schlicht nicht mehr lange gut gehen wird in unseren westlichen Wohlstandsgesellschaften.
Was passieren kann, sowohl individuell als auch kollektiv, wenn Menschen sich zurückziehen in eine private Welt (der Esoterik beispielsweise) und/oder buchstäblich "des Menschen Wolf" (Hobbes) werden und psychopathisch sich die fehlende Anerkennung (Honneth/Hegel/Benjamin, s.u.), die narzisstische Spiegelung also (Altmeyer/Frauchiger), mit Gewalt oder auch ganz "gewaltlos" mit List und T&uu;cke, mit oekonomischen Marketing-Methoden, mit politischen Querfront-Strategien etc. etc. (zurück-)holen, möchte ich mit diesen Texten auch beschreiben, im Bewusstsein, dass ich meine eigene Kern-Kompetenz dann und wann verlasse, dafür "auf den Schultern von Riesen" stehend, zitierend und recherchierend publizistisch meinen Narzissmus-Aufsatz hoffentlich bereichere und auch für ein Nicht-PsychotherapeutInnen-KlientInnen-Publikum attraktiv zum Lesen mache.

Kapitel 1: Fussnoten und Ergänzungen

Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie:

Nomothetische versus idiographische Forschung

Die wissenschaftstheoretische Unterscheidung zwischen nomothetischer und idiographischer Forschung geht zurück auf die Rede „Geschichte und Naturwissenschaft“ Wilhelm Windelbands, die dieser 1894 zum Antritt seines Rektorats an der Universität Straßburg hielt.

Windelband unterschied zunächst Mathematik und Philosophie als rationale Wissenschaften von den Erfahrungswissenschaften. Letztere teilte er dann nochmal in die nomothetischen Naturwissenschaften und die idiographischen Geisteswissenschaften.[1]
Nomothetisch(von griechisch nomos: 'Gesetz' und thesis: 'aufbauen') bezeichnet eine Forschungsrichtung, bei der das Ziel wissenschaftlicher Arbeit allgemeingültige Gesetze sind. Ihre Methoden sind experimentell, oft reduktionistisch, die erhobenen Daten quantitativ. Nomothetische Theorien abstrahieren von den Phänomenen. Diese Denkweise ist typisch für die Naturwissenschaften.Idiographisch(von griech. idios: 'eigen' und graphein: 'beschreiben) ist eine Forschungsrichtung, bei der das Ziel wissenschaftlicher Arbeit die umfassende Analyse konkreter, also zeitlich und räumlich einzigartiger Gegenstände ist. Ihr Hauptanwendungsbereich sind die Geisteswissenschaften.

Heinrich Rickert hat darauf hingewiesen, dass auch bei idiographischer Vorgehensweise - wie bei der nomothetischen - abstrahiert werden muss.[2] Rickert spricht (deshalb) von individualisierender und generalisierender Methode. Jene zielt darauf, die kulturell bedeutsame Individualität von etwas herauszuarbeiten (wozu von vielen kulturell irrelevanten Aspekten der qualitativen Individualität abstrahiert werden muss), diese darauf, etwas unter Allgemeinbegriffe oder Gesetze zu subsumieren, wobei alles das unbeachtet bleibt, was nicht relevant ist für diese Subsumtion.

In der Mitte zwischen beiden steht die Psychologie, die quantitative und qualitative inter- und intraindividuelle Unterschiede erforscht, um objektive Gesetze zu finden, die auf Individuen angewendet werden können. Nach Windelband untersucht die Psychologie geisteswissenschaftliche Inhalte mit naturwissenschaftlichen Methoden.[3] Die Diskussion über diese Unterscheidung wurde von Gordon Allport (1937) in die Persönlichkeitspsychologie eingeführt.[4]

Für die Rechtsphilosophie übernimmt Max Ernst Mayer Windelbands Unterscheidung in das, was immer ist und das, was einmal war.

Als Beispiel aus der Ethik kann Kants Kategorischer Imperativ für die nomothetische Denkweise stehen, Sartres Gegenargument „Soll ich meine kranke Mutter pflegen oder mich der Résistance anschließen?“ für die idiographische.

Wilhelm Kamlah versteht idiographische als empirische Partikularaussagen, nomothetische als empirische Allaussagen und kritisiert Windelbands Trennung als überholt. Es habe sich gezeigt, dass auch die Geschichtswissenschaft Allaussagen („Die griechischen Koloniegründungen...“), auch die Naturwissenschaften Partikularaussagen („Der Jupiter...“) machen.[5]

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Nomothetische_versus_idiographische_Forschung

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Vermessene Wissenschaftlichkeit - Kritische Aspekte und bedenkliche Tendenzen des Methodenpapiers

Jürgen Kriz (2008) führt folgende Argumente gegen ein nomothetisches Forschen in der Psychotherapie an: -------------------------------------------------------------------------------------


Eine relativ frühe Annahme (Positivismus) in der Psychologie war die, dass aus einer „Befragung der Natur“ durch Verallgemeinerung und Abstraktion die Wahrheit in Form von Naturgesetzen zum Vorschein käme (naiver Empirismus). Doch die Natur kann dem Forscher nicht offenbaren, welche Aspekte beobachtenswert sind - er muss also Fragestellungen, Begriffe und Theorien an sie herantragen, um unter den praktisch und theoretisch unbegrenzten Beobachtungsmöglichkeiten eine Auswahl treffen zu können.
In einer modifizierten Form von Positivismus, dem Kritischen Rationalismus muss gemäss Karl Popper (1972) zwischen der Entstehung und der Ueberprüfung von Theorien unterschieden werden. Aus der Theorie abgeleitete Hypothesen (in Wenn-dann-Sätzen) müssen experimentell überprüft werden. Gemäss dem Falsifikationsprinzip können gemäss positivistischer Lesart immer „wahrere“ Theorien erstellt werden, bis schlussendlich (so der Wunschtraum oder aber der Alptraum vieler Psychologen) die ganze Psyche des Menschen messbar und vorhersagber wird.
Dieser Auffassung von fortschreitender Verwissenschaftlichung durch quasi „Versuch und Irrtum“ (die experimentelle Methodik) hat Thomas Kuhn bereits 1962 stark widersprochen. Ausgehend von Physik und Chemie kommt er zur Auffassung, dass das jeweilige Paradigma („Weltsicht“, „Modell des Menschen“ etc., siehe Kapitel 2.3) die Art der Problemlösung bestimmt. Dieses „Netz von Ueberzeugungen und selbstverständlichen Denkweisen“ (Legewie 1992) trifft die oben angesprochene Auswahl. Es regelt die für „wissenschaftlich“ gehaltenen Fragestellungen und die zugelassenen Methoden (auch eine Auswahl!) und letztlich die aufgestellten Theorien.
Kuhns Position entspricht wissenschaftstheoretisch gesehen dem Konstruktivismus: die Wahrheit einer Theorie hängt nicht in erster Linie von der Uebereinstimmung mit der Wirklichkeit ab (Abbildtheorie der Wirklichkeit), sondern vom Konsens der Fachleute (Konsenstheorie der Wirklichkeit).
Zur „Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“ (Kuhn 1976) möchte ich nur sagen, dass die Psychologie sich, streng genommen, immer noch im „Frühstadium“ (Konkurrenz der Paradigmen) einer Wissenschaft befindet...

Wittgenstein (1960) diagnostizierte eine „Begriffsverwirrung“ innerhalb der Psychologie. Ein Grund dafür sind m.E. die stark differierenden Erkenntnisweisen von Natur- und Geisteswissenschaften. Wilhelm Dilthey (1894) hat die einflussreiche Formel geprägt: „Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir“. Wilhelm Wundt, der Begründer der modernen Psychologie ging ebenfalls von einer Zweiteilung unseres Faches aus (bei ihm: die physiologische und die sog. Völker-Psychologie). Erst später, durch den Einfluss des Behaviorismus, wurde die positivistische, naturwissenschaftliche Wissenschaftsauffassung auf die gesamte Psychologie übertragen. Diese „Vereinnahmung“ dauert m.E. trotz „Kognitiver Wende“ bis heute an.

Das Descart’sche Maschinen- bzw. (moderner) Computer-Modell impliziert eine Zerlegbarkeit des Menschen in messbare Variablen. Diese Sichtweise favorisiert natürlicherweise ein empirisch-nomothetisches Vorgehen, wie es sich in immer raffinierteren statistischen Methoden heute an den meisten Universitäten darstellt. Es gibt aber auch ein grundsätzlich anderes Wissenschaftsverständnis: Die Hermeneutik basiert auf der viel weiter in die Menschheitsgeschichte zurückreichenden Tradition des Naturverstehens durch „Zeichendeutung“, wie sie z.B. Jäger und Medizinmänner praktiziert haben. Die Natur ist nach dieser Auffassung ein Buch, dessen Wörter und Sätze der Kundige auf der Grundlage seines Erfahrungswissens lesen und auslegen kann. Die Bedeutung eines Zeichens erschliesst sich nicht aufgrund von mathematischen Gesetzen, sondern durch den Zusammenhang, in dem es steht. Es wird eine Zirkularität postuliert: zwischen dem Ganzen und dem Detail aber auch zwischen Erkenntnisobjekt und Erkenntnissubjekt. Diese Interpretationen sind zudem geschichtlich bedingt, wie uns Gadamer (1960) lehrt. Wie in einem Zerrspiegel (geschichtlich-sprachliche Deutungsmuster) nehmen wir die Umwelt und uns selbst wahr. Gemäss Gadamer können wir aber durchaus unsere Grenzen des Erkennens im Austausch mit dem Erkenntnisgegnstand schrittweise erweitern - ohne dass aber jemals eine geschichtslose, „objektive“ (wie sie der Positivismus postuliert) Erkenntnis erreichbar wäre.

Die folgende Abbildung (aus Legewie 1992) stellt die beiden grundsätzlichen Formen von Wissenschaftsauffassung einander gegenüber:

Cartesianisches Wissenschaftsverständnis
- Erkenntnis raum- und zeitlos
- Strikte Trennung zw. Erkennendem Subjekt („denkende Substanz„) und Erkenntnisobjekt („ausgedehnte Substanz„)
- Zerlegung des Erkenntnisobjekts in messbare „Variablen„
- Ableitung des Zusammenwirkens der Variablen aus allgemeinen Gesetzen
- Maschinenmodell (heute: Computermodell) des Menschen
- Ziel: Vorhersagbarkeit/Beherrschabrkeit des Er-kenntnisobjekts

Hermeneutisches Wissenschaftsverständnis
- Historisch-kulturelle Bedingtheit von Erkennt-nisobjekt und –subjekt
- Wissenschaftler als Teil des Erkenntnisprozesses („Selbstaufklärung„ durch „Gegenstandsaufklä-rung„)
- Verstehen von Sinnzusammenhängen als metho-disches Grundprinzip
- Theoriebildung als „Textinterpretation„ (hermeneutischer Zirkel)
- Handlungsmodell des Menschen
- Ziel: Verstehen von Zusammenhängen als Grundlage von Veränderungen

Cartesianisches (naturwissenschaftliches) versus Hermeneutisches (geisteswissenschaftliches) Wissenschaftsverständnis

Folgende Gegenüberstellung der kognitiv-behavioralen Positionen und der humanistisch-integrativen ande-rerseits soll nicht polarisierend wirken. Ich möchte lediglich in etwas plakativer Manier grundsätzliche Unter-schiede in Form von „Schlagwörtern“ hervorheben. Dass es daneben viel Gemeinsames gibt und sich die Po-sitionen sogar einander angleichen, habe ich schon erwähnt. Ich denke, dass trotzdem diese Grundlagen auch in Zukunft unverändert bestand haben werden.

naturwissenschaftlich geistes- und sozialwissenschaftlich nomothetisch Idiographisch quantitativ Qualitativ empirisch-positivistisch Hermeneutisch „objektiv“ Subjektiv Computer-Modell Handlungsmodell Variablen und Elemente Ganzheiten, Sinnzusammenhänge gesellschafts-konform kritisch-synarchisch kognitiv-behavioral Psychodynamisch-humanistisch strukturell Phänomenologisch Wissen Erfahrung und „awareness“ Rationalistisch Konstruktivistisch interaktionell-systemisch Intersubjektiv-dialektisch Schema Narrativ Erklären Verstehen Information Szenen, Bilder, Symbole Körper Leib Emotion Gefühl etc. etc.

Tabelle 6: Gegenüberstellung naturwissenschaftliches vs. geisteswissenschaftliches Modell

Nicht zuletzt seit Gernot Böhmes „Alternativen der Wissenschaft“ (1980), wo dieser eine „soziale Naturwissenschaft“ postuliert, kommen Vorschläge zu einem integrierten Wissenschaftsverständnis auf: eine Wissenschaftsauffassung, derzufolge statt eines beherrschenden Paradigmas unterschiedliche Perspektiven auf den Gegenstand der Psychologie einander ergänzen müssen.
Die „Allgemeine Systemtheorie“ (z.B. Bronfenbrenner, Boulding, Parsons, Luhmann u.a.) stellt ein solches integratives Verständnis dar; insbesondere die Rückbezüglichkeit vom Objekt auf das Subjekt und umgekehrt, ist der hermeneutischen Sichtweise sehr ähnlich (s.o.). Sie wie auch die daraus hervorgegangene Chaostheorie (z.B. Ciompi 1994) stammen interessanterweise aus einer der „härteren“ Naturwissenschaften, der Physik (siehe z.B. Capra 1984).
Aber auch Biologen wie Humberto Maturana und Francisco Varela postulieren (im „Baum der Erkenntnis“ 1987), dass Lebewesen ihre Umwelt entsprechend der eigenen Struktur „erkennen“. Auf weitere Konstrukte wie Autopoiese (Selbstorganisation), Synergie oder soziale Systeme kann ich an dieser Stelle leider nicht näher eingehen (vgl. aber Cranach 1995, Capra 1984 u.a.m.).

Zur Psychologie zurückkehrend möchte ich noch insbesondere hinweisen auf die Handlungsmodelle (z.B. von Cranach 1996). Danach sind Handlungen definiert als absichtsvolle menschliche Tätigkeiten, die in einem Sinnzu-sammenhang stehen; nicht die objektiven Reizqualitäten sind wichtig, sondern die Bedeutung, die der Mensch diesen Reizen gibt. Der Sinn und die Absichten menschlichen Handelns erschliessen sich dem psychologischen Forscher nicht durch objektivierende Beobachtung, Experiment und Messungen, sondern durch „teilnehmende“ Beobachtung und Gespräche, also durch kommunikative oder dialogische Methoden. Gerade diese Aspekte des Handlungsmodells bedingt aber für seine Kritiker seine „Unwissenschaftlichkeit“ (s.u.). Das folgende Zitat zu diesem Thema stammt wiederum von Legewie (1992, S. 26): „Nach dem Handlungsmodell stellt sich die experimentalpsychologische Versuchs¬situation als eine sehr spezielle und einseitige soziale Interaktion dar. Die Reaktionen der Versuchspersonen im Experiment sind nicht von den objektiven Reizen, sondern von deren Interpretation durch die Vp abhängig. Die angestrebte Objektivität ist also auch im Experiment nicht erreichbar. Zudem lassen sich die eingeschränkten Reaktionen im Experiment nur sehr beschränkt auf komplexe Alltagssituationen übertragen. Somit liefert die experimentelle Me¬thode in der Psychologie Ergebnisse, die für die Praxis häufig unbrauchbar sind. Als Alternative entwickelte der Sozialpsychologe Kurt Lewin während der Nachkriegszeit in den USA die Handlungs oder Aktionsforschung: „Die für die soziale Praxis erforderliche Forschung läßt sich am besten als Forschung im Dienste sozialer Unternehmungen oder sozialer Techniken kennzeichnen. Sie ist eine Art Tat Forschung [„action research“], eine vergleichende Erforschung der Bedingungen und Wirkungen verschiedener Formen des sozia¬len Handelns und eine zu sozialem Handeln führende Forschung.“ Die Aktionsforschung läßt sich durch folgende Besonderheiten kennzeichnen: a) Die Problemstellung erfolgt nicht primär aus wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse, sondern entsteht aus konkreten Mißständen für eine soziale Gruppe. b) Das Forschungsziel besteht nicht vorrangig im Überprüfen theoretischer Aussagen, sondern in der praktischen Veränderung der untersuchten Problemlage. c) Die Problemlage wird als sozialer Prozeß aufgefaßt, aus dem nicht einzelne Variablen isoliert und als „objektive Daten“ erhoben werden können, sondern die Datenerhebung wird als Teil des sozialen Prozesses aufgefaßt und interpretiert. d) Der Forscher gibt seine Distanz zum Forschungsobjekt auf, er ist selbst in den untersuchten Prozeß einbezogen, von der teilnehmenden Beobachtung bis zur gezielten Einflußnahme auf die soziale Gruppe. Ebenso geben die anderen Gruppenmitglieder die Rollen von Befragten und Beobachteten auf, indem sie sich aktiv an der Ziel-diskussion, Datenerhebung und Auswertung beteiligen“ (S. 26). Aktionsforschungsprojekte entstanden in der Bundesrepublik Deutschland vorwiegend im universitären Bereich sowie in der Randgruppen und Stadtteilarbeit. Aktuelle Beispiele finden sich auch in Gemeinwesenprojekten in Lateinamerika, die unter der Anleitung von Sozialpsychologen standen. Schwierigkeiten der Aktions¬forschung sind in ihren theoretischen Defiziten und in den Zufälligkeiten des jeweils zwischen Forschern und Beforschten ablaufenden Gruppenprozessen begründet. Das (fast ausschließlich) vom Forscher kontrollierte Laborexperiment und die (weitestge¬hend) von den Beforschten bestimmte Aktionsforschung bilden Extrembeispiele psychologi¬scher Methoden. Zwischen diesen Extremen finden sich jedoch auch Übergänge wie das Feldexperiment [z.B. Lewin] und die Feldstudie, bei denen der Forscher zwar in der natürlichen Umwelt der Beforschten arbeitet, seine Forschungsziele und Erhebungsmethoden aber aus einer theoretisch begründeten Fragestellung herleitet. In der psychologischen Praxisforschung muß im Einzelfall entsprechend der Zielsetzung und sozialen Situation entschieden werden, inwieweit eine distanzierende Trennung zwischen Forschern und Beforschten sinnvoll und notwendig ist. Meines Erachtens würde eine solche Verschränkung von Idiografik und Hermeneutik (s.u.) einen sehr grossen Fortschritt in der Psychotherapieforschung bewirken. Hier könnten wir Klinischen Psychologen einiges lernen von unseren Kollegen aus der Sozialpsychologie. Es gibt aber durchaus auch innerhalb der klinisch-psychologischen Forschung Ansätze zu einem idiographischen Forschungs-Verständnis. Der Artikel von Arnold & Grawe über „deskriptive Einzelfallanalysen“ (1989) stellt diesbezüglich fruchtbare Möglichkeiten dar, wie qualitative Forschung aussehen könnte, ohne den empirischen Boden verlassen zu müssen – durchaus eine integrative Orientierung, wie ich sie hier aufzuzeigen versuche. Ausserhalb der Klinischen Psychologie haben u.a. Groeben und Scheele („subjektive Theorien“ (z.B. in Jüttemann 1991), „epistemologisches Menschenbild“ 1977 etc.), Graumann („hermeneu¬tische Methoden“, Herzog/Graumann 1992), Thomae („Biographische Methode“, z.B. Jüttemann/ Thomae 1987) wertvolle Beiträge geleistet. Aus obenstehenden Argumenten geht also hervor, dass eine „wertfreie“ Forschung gar nicht möglich sein kann. Vielmehr wird sie beeinflusst vom jeweiligen „Zeitgeist“ und den historischen, traditionellen Strömungen. Die Kritische Theorie (Habermas 1968) und daraus abgeleitet die Kritische Psychologie (Holzkamp 1983) versuchen dieser Tatsache Rechnung zu tragen. Leider ist diese Kritik allzuoft mit ideologischen (historisch-materialistischen) Hintergedanken vorgetragen und ihre Wirkung (in der „scientific community“) fiel dementsprechend bescheiden aus. Seit ein paar Jahren gibt es aber eine ganze Reihe Ideologie-unabhängiger Psychologen wie Groeben/Scheele (bereits 1977), Rexilius (1989, 1991), Jäggi (1991), Thomae (1996), Jüttemann (1987), Graumann (1991) oder Legewie (1992), welche versuchen, die psychologische Forschung der Alltagssituation (der Praktiker) wieder näher zu bringen und so auch den (scheinbaren) Gegensatz von nomothetisch-quantitativer und idiographisch-qualitativer Forschung aufzulösen. Kritisiert wird in den genannten neueren Ansätzen die Tendenz der modernen Psychologie, zugunsten einer möglichst grossen Exaktheit alle „Störfaktoren“ auszuschalten. Dies deshalb, weil die so gewonnenen Erkenntnisse nur technisch relevant sein können, inwiefern in der Praxis Bedingungen vorliegen, die eine genügend grosse Aehnlichkeit mit den psychologischen Experimentalsituationen haben (z.B. industrielle Arbeitsplatzgestaltung, Düsenpilot-Ausbildung, Autofahrsimulation, programmiertes Lernen, Manualgesteuerte Psychotherapie). In allen anderen wichtigen Anwendungsbereichen, so auch in der alltäglichen Psychotherapiesituation, besteht ein krasser Unterschied zwischen dem komplexen Bedingungsgefüge jeder praktischen Aufgabe und den aus „methodisch einwandfreien“ Experimenten gewonnenen Forschungsergebnissen. Die Wissenschaft erhält hier einen „Fetischcharakter“ (Legewie 1992) zur Legitimierung rational nicht begründbarer Entscheidungen. Ich möchte nochmals aus meiner SASB-Seminararbeit (Frauchiger 1997a) zitieren: „Ich erhoffe mir persönlich, dass mittels neuerer, qualitativerer Messmethoden die Kluft zwischen naturwissenschaftlich-empirischer einerseits und geisteswissenschaftlich-hermeneutischer Psychologie und Forschung verringert werden kann; ganz im Sinne von Kurt Reusser, welcher die sog. Kognitive Wende als „Annäherung an phä-nomenologische Problemstellungen„ (Reusser 1990) bezeichnet. Dies, obwohl ich seine Sichtweise als etwas zu optimistisch bezüglich der angesprochenen Versöhnung halte. Für mich zeigen sich gerade bei der Beziehungs- bzw. Kontakt-Dimension die Grenzen des nomothetisch-empirischen Wissenschafts-Paradigmas sehr deutlich. Es ist der Eindruck vieler (z.B. Fäh-Barwinski 1995 oder Petzold 1993), dass das „Wesentliche„, wie gerade der „therapeutic bond“ (Orlinsky/ Howard 1986), mittels naturwissenschaftlicher Messmethoden nicht adäquat erfasst werden kann. Deshalb halte ich die SASB-Methode für eine vielversprechende Erweiterung des bisherigen, in Subjekt-Objekt-Trennung gehaltenen, For-schungs-Paradigmas. Ich komme aus obenstehenden Gründen zum Schluss, dass die wissenschaftliche Forschung gerade im Bereiche der Psychotherapie gut daran täte, phänomenologisch-deskriptive und hermeneutisch-idiographische Forschungs-methoden zusätzlich zum bestehenden Methoden-Arsenal aufzunehmen. Qualitative Einzelfallanalysen, Kasuistiken, kurz: eine Geschichten-erzählende, hermeneutische Vorgehensweise würden der unterkühlten, von Statistik und Mess“mitteln“ beherrschten Psychotherapieforschung das verlorengegangene Leben wieder einhauchen helfen. (...) Eine Attraktivitätserhöhung im „Feld“ der freipraktizierenden Psychotherapeuten ist gerade heutzutage sehr vonnöten, wenn unsere Arbeit wieder in den Leistungskatalog der Schweizer Krankenkassen aufgenommen werden soll; eine solche Berücksichtigung kann nur mittels Qualitätskontrolle erfolgen, hierin sind sich alle Parteien im grossen und ganzen einig (z.B. Fäh-Barwinski 1995 einerseits oder Grawe und Braun 1994 andererseits). Innerhalb eines solchen Qualitätsmanagements könnte die SASB-Methode m.E. wertvolle Dienste leisten.“ Mit diesen methodischen Hinweisen würde die psychotherapeutische Forschung vom Elfenbeinturm der Universitäten vermehrt unters „Volk“ (die Psychologen und Therapeuten „draussen im Feld“) gebracht, welche dann mit mehr Enthusiasmus bei der Sache wären; weil es sie unmittelbar betrifft und sie mitreden können in der Qualitäts- und Wirksamkeitsdiskussion. Mit relativ wenig Aufwand (PC, Datenerfassungsprogramme und Drucker für die Figurationen) würde es für jeden und jede PsychotherapeutIn möglich, in den eigenen vier Wänden seine/ihre Arbeit immer wieder zu überprüfen und zu beforschen. Eine einzurichtende zentrale Datenbank (wie sie anlässlich des letzten FSP-QM-Hearings im Januar diskutiert wurde) würde Daten sammeln, womit die Qualität (Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität) kontinuierlich verbessert würde. Durch ein Feedback-System ergäbe sich eine Selbstorganisation (Systemtheorie!) der beteiligten Berufsleute. Eine von aussen (z.B. durch die Krankenkassen) verordnete, rein quantitative Erhebung von Daten würde zu keiner Selbskontrolle führen, sondern lediglich zu einer mühsamen Pflicht, welche niemandem richtig nützen würde. Ein solches Qualitätsmanagement würde eine ideale Kombination beider oben besprochenen methodischen Para-digmen ergeben: individuelle, qualitative Erfassung und statistisch-quantitative Verarbeitung der Daten. Ich denke, solche Massnahmen bedeuten nicht nur eine Konzession den Kostenträgern gegenüber, sondern ein tag-tägliches „Monitoring“ der eigenen Arbeit – der damit verbundene Arbeitsaufwand lohnt sich auf jeden Fall.

NARZISSMUS - Definitionen, Entstehung, Symptome, Soziale Auswirkungen und Therapie

Gesunder Narzissmus
Gesunder Narzissmus ist „die nicht bezweifelte Sicherheit, dass empfundene Gefühle und Wünsche zum eigenen Selbst gehören.
Diese Sicherheit wird nicht reflektiert, sie ist da, wie der Pulsschlag, den man nicht beachtet, solange er in Ordnung ist.
In diesem unreflektierten, selbstverständlichen Zugang zu eigenen Gefühlen und Wünschen findet der Mensch seinen Halt und seine Selbstachtung.“ (Gottschalch)

Gottschalch, Wilfried (1988). „Narziss und Oedipus – Anwendungen der Narzissmustheorie auf soziale Konflikte“. Heidelberg: Asanger

sekundärer Narzissmus: Auf Grund von Traumata und Verletzungen zieht sich Objekt -Libido wieder ins Ich zurück

Narzissmustheorie von Freud (1914):
"Ein starker Egoismus schützt vor Erkrankung, aber endlich muss man beginnen zu lieben, um nicht krank zu werden."

Narzisstisches Zeitalter?
- Entfremdung durch Kapitalismus
- Faszination der Oberflächen/des Oberflächlichen
- Entkörperung durch virtuellen Raum (Internet)

Die Kernberg-Vorlesungen:



Tilman Moser: Suche nach dem verlorenen Selbst. Rezension von Alice Millers "Das Drama des begabten Kindes". Quelle: DER SPIEGEL 29/1979

Tilmann Moser über Alice Miller: "Das Drama des begabten Kindes"
Alice Miller ist Psychoanalytikerin und Universitätsdozentin in Zürich. -- Tilmann Moser veröffentlicht nach "Lehrjahre auf der Gauch" und "Gottesvergiftung" im Herbst ein neues Buch: "Grammatik der Gefühle".
Es mag vom Temperament eines Psychoanalytikers abhängen, von den förderlichen oder schmerzlichen Erfahrungen in seiner eigenen Lehranalyse und schließlich vom Grad seiner eigenen Selbst-Verborgenheit. wie er sich in der gegenwärtigen Kontroverse um neue Behandlungsformen der sogenannten narzißtischen Störungen fühlt.
Was die einen als befreiende, wenn auch stille Revolution auf der analytischen Couch erleben, erscheint anderen wie viel Lärm um beinahe nichts. Begeisterung auf der einen Seite, Kopfschütteln und Hohn auf der anderen. Neue Kontinente im Verständnis des Unbewußten -- oder Altbekanntes, nur in neuer, aufwendiger Terminologie?
Hat Freud im wesentlichen alles gesehen, was es im Reich des Unbewußten zu sehen gab, und bedarf es also nur -- ähnlich wie bei Marx in bezug auf das Funktionieren der Gesellschaft für Marxisten -- einer immer genaueren Exegese und geduldigen Einfügens neuer Phänomene in den bekannten Begriffsrahmen? Oder kristallisiert sich eine grundsätzlich neue Perspektive heraus, in deren Licht auch wichtige Thesen Freuds einen veränderten Platz im erweiterten Gebäude der neuen Theorie finden?
Neurosen gelten als mißglückte Versuche des Menschen, mit den immer neuen Konflikten, vor die die Triebentwicklung das Kind angesichts elterlicher oder gesellschaftlicher Verbote stellt, fertigzuwerden. Ein mehr oder minder schwaches Ich fügt sieh dabei entweder den Verboten oder erkämpft sich ein gewisses Maß an Freiheit, oder es rettet sich in die Geheimsprache seiner Symptome, in denen es Lust und Gehorsam mühsam zu verbinden versucht. Im günstigen Falle fühlt es dabei in der aktuellen Szene seine Konflikte und darf seine Gefühle auch ausdrücken: Wut, Haß, Trauer, Freude, Lust, Triumph oder den Schmerz der Niederlage. Wo nicht gefühlt oder gehandelt werden darf, kommt das reichhaltige Arsenal der Abwehrmechanismen zu Hilfe, und im Keller lobt fortan der Hexenkessel des Unzulässigen.
Wie aber, wenn eine Instanz, die das Fühlen erst möglich macht und die heim Konfliktmodell der klassischen Psychoanalyse im Ich fast selbstverständlich vorausgesetzt war als aktives Zentrum aller Abwehrvorgänge, schon im Anfangsstadium verkümmert oder austrocknet: das Selbst. Woraus es sich nährt, ist durch Heinz Kohuts Formulierung fast sprichwörtlich geworden: aus dem Glanz im Mutterauge.

Doch dieser Glanz kann vergiftet sein, und um die Art dieses Gifts kreist Alice Millers Buch. Vieles von dem, was sie schreibt, ist von Pionieren der Psychoanalyse der letzten zwei Jahrzehnte in manchmal schwieriger Begriffssprache bereits formuliert worden, und sie nennt selbst die Namen, hei denen sie Anhalt und Rückendeckung gefunden hat: Spitz, Mahler, Winnicott, Kohut und andere.
Aber warum ist dann das schmale Bändchen faszinierend zu lesen? Warum setzt es atmosphärische Veränderungen in Gang nicht nur in den vielen stillen Kämmerchen der Psychotherapeuten, sondern auch dort, wo Menschen in seelischer Not zu anderen Menschen kommen, die verstehen und raten wollen?
Es ist eine bestimmte Form von Pathos, die einer verwenden mag, der sich selbst und viele andere auf einen inneren Abgrund zulaufen sah und sieht, es sei denn, er versammelt seine ganze Kraft in einen Text, in dem Erkenntnis und Mahnung zu einer Botschaft werden. So eindringlich schreibt nur jemand, den eine bestimmte Erkenntnis vor der Verzweiflung bewahrt hat, und der nun darangeht, die Verzweiflung vieler anderer zu seinem zentralen Thema zu machen.
Kein Mensch hat ein angeborenes Selbst, das aus eigener Kraft zur Entfaltung käme. (Goethes Entelechie der Persönlichkeit wäre eine Behauptung von etwas rein Hypothetischem, wäre es ihm nicht absolut geläufig gewesen, daß es dazu des mütterlichen und väterlichen Nährbodens bedarf.) Aber es gibt ein angeborenes Bedürfnis nach der Entwicklung eines Selbst. Nur: Wer es nähren will, muß guten Boden in sich haben. Er muß sich so verhalten können, als hätte schon das Neugeborene eine Persönlichkeit, deren selbständiges Wachstum Freude bereitet. Und er muß ein selbständiger, mit sich weitgehend einverstandener Mensch sein, wenn er die neu sich bildende Selbständigkeit bejahen und mit Freude fördern will.
Kinder erfüllen viele Zwecke für die Eltern, viele sind dem Volksmund geläufig. Alice Miller hat aus ihren Behandlungen und aus der Kindheitsgeschichte von Hermann Hesse Situationen herausdestilliert und verdichtet, die das Mißlingen des Selbstwerdens schon in frühester Zeit dramatisch aufzeigen.
Viele Mütter brauchen gefügige Kinder, an denen das eigene innere Chaos gerade noch in Schach gehalten werden kann. Oder sie brauchen sie, um überhaupt ein Echo auf ihr sonst leeres Leben zu haben. Oder sie brauchen sie, um ihre geheime Selbstverachtung durch grandiose Zukunftsphantasien für das Kind zu heilen. Das Gefühlsleben des Kindes kippt dann um wie ein überdüngter See, der sich nicht mehr selbst regenerieren kann.
Wer der Stolz seiner Eltern sein muß, weiß nie wirklich, ob er geliebt wird: es bleiben immer Bedingungen, oder, im schlimmeren Fall, eine schleichende Erpressung. Was dabei zustande kommt, nannte Winnicott ein "falsches Selbst", das die oft unbewußten Erwartungen der Eltern zu seiner eigenen Substanz gemacht hat. Was das Kind wirklich ist, weiß dann niemand mehr. Um der Leere zu entgehen, denkt es sich oft Wunderdinge über sich aus, verliebt sich, um sich nicht zu hassen, in ein Traumbild von sich selbst, oder in das Traumbild, das die litern von ihm haben. Je wichtiger das Kind als Krücke für die Eltern ist, desto größer wird später die Angst, wenn es, in einer Beziehung oder in einer Therapie, sich vor die ersehnte und zugleich erschreckende Möglichkeit gestellt sicht, daß da einer fragt: Wer bist du eigentlich?

Wer der Stolz der Eltern war durch dringlich erwartete Leistung oder "vorzeigbare Dressur, kann nur immer mehr leisten oder sieh immer besser anpassen, um Panik oder Depression zu vermeiden, wenn die äußere Aiierkennung ausbleibt.
Mit ihrem Genie der frühen Anpassung, dem Radarsystem dafür, welche geheimen Bedingungen alkin in der Familie ein Minimum von /uneigung erbrachten, unterläuft es solchen Menschen, wenn sie schließ] ich nicht mehr weiterwissen und zum Analytiker gehen, daß sie die Überzeugungen des Therapeuten, auch wenn die unbekömmlich sind, in sich aufnehmen, ja aufsaugen, weil ihnen der innere Spielraum fehlt, auch nein zu sagen.
Und hier treibt Alice Miller die notwendige Selbstreflexion des analytischen Standes um ein wichtiges und notwendiges, wenn auch kränkendes Stück voran. Es wird kaum einen Analytiker geben, der nicht das eigene Verstanden-Werden oder Selbst sein-Dürfen an wichtigen Stellen entbehrt hätte. Die Gefahr- ist nur, daß die Patienten dann für ihn etwas leisten müssen, was Mutter und Vater nur unzureichend geben könnten: totale Autmerksamkeit, Beachtung, Bewunderung und die endliche Respektierung der eigenen Meinung.
Folgerichtig handelt das erste Kapitel des Buches nicht nur vorn "Drama des begabten Kindes", sondern auch von der "narzißtischen Störung des Analytikers", der sicher sein kann, daß das, was er hinter der Couch zu sagen hat, eine Art von Aufmerksamkeit findet, die sonst nur Menschen in Starsituationen zuteil wird, selbst dort, wo er vom Patienten bekämpft wird.
Die "Ermordung des Gefühls" (mit der Folge von leere, Verzweiflung, Scham und Depression) ist Alice Millers Thema, das Drama der Wiederbelebung des Fühlens die therapeutische Kehrseite. Man spürt, daß sie den Schmerz der Selbstverlorenheit an eigener Seele durchlitten hat und bereit ist, mit jedem Patienten anzunehmen, daß "seine Gefühle eine Geschichte erzählen, die noch niemand kennt". Oft genug ist es eine Geschichte mit sieh wiederholenden Szenen. in denen gerade die Kreativität des Kindes, seine Begabungen, seine selbständige Sensibilität oder seine eigene Entdeckung der Welt das Gleichgewicht der Mutter oder der Familie bedrohten.
Die subtilen Strafen der Beschämung und der Demütigung dringen bei diesem unterirdisch geführten Kampf gegen die Selbstentfaltung des Kindes tiefer ein als grobe Verbote. Alles, was an Verachtung hat geschluckt werden müssen, muß in der Behandlung dann vorübergehend der Therapeut schlucken. Für viele Analytiker ist dies die am schwersten zu bestehende Herausforderung, und die Erkenntnisarbeit, warum ein Patient ihn verachtet, braucht ein längeres Stück Weg bis zu ihrer fruchtbaren Erhellung: Sie führt unweigerlich zu den Klippen des Selbstwertzweifels, die jeder in sich trägt. Schaut man sich aber um und spürt zunehmend deutlich, wie subtil Verachtung in vielen sozialen Bereichen ein wichtiges Mittel der Selbsterhaltung ist, dann wird der Vorstoß zu den Quellen von Verachtung und Selbstverachtung ein mutiges und dringliches Unterfangen.
Alice Millers Buch ist von einem Ton des "Hier stehe ich, ich kann nicht anders" getragen, der noch erkennen läßt, wie weit der Weg zur befreienden Erkenntnis war. Obwohl das Buch Hoffnung weckt, läßt sie nie Zweifel daran, daß der Mangel an Respekt vor dem Kind -- und zwar nicht nur vor seinen formulierbaren Bedürfnissen, sondern vor seinem so leicht störbaren Wunsch nach Selbst-Sein -- sehr tief zum psychischen Erbe der letzten Generationen gehört und daß die Unterbrechung der unmerklichen Tradierung des durch eigene seelische Not vergifteten Glanzes in den Augen der Eltern eine langwierige Aufgabe ist.
Aber die Aufmerksamkeit ist auf eine neue, packende Weise geweckt, und sie wirft ein neues Licht auch auf das Elend vieler Jugendlicher und Erwachsener, die durch den langerkämpften Freiraum der Lust gewandert sind und sich verzweifelt fragen, warum die Erregung so selten die Leere ausfüllt.

Neurose / Selbst

------------------- Neurosen gelten als missglückte Versuche des Menschen, mit den immer neuen Konflikten, vor die die Triebentwicklung das Kind angesichts elterlicher oder gesellschaftlicher Verbote stellt, fertigzuwerden.
Ein mehr oder minder schwaches Ich fügt sieh dabei entweder den Verboten oder erkämpft sich ein gewisses Maß an Freiheit, oder es rettet sich in die Geheimsprache seiner Symptome, in denen es Lust und Gehorsam mühsam zu verbinden versucht.
Im günstigen Falle fühlt es dabei in der aktuellen Szene seine Konflikte und darf seine Gefühle auch ausdrücken: Wut, Haß, Trauer, Freude, Lust, Triumph oder den Schmerz der Niederlage. Wo nicht gefühlt oder gehandelt werden darf, kommt das reichhaltige Arsenal der Abwehrmechanismen zu Hilfe, und im Keller lobt fortan der Hexenkessel des Unzulässigen.

Wie aber, wenn eine Instanz, die das Fühlen erst möglich macht und die heim Konfliktmodell der klassischen Psychoanalyse im Ich fast selbstverständlich vorausgesetzt war als aktives Zentrum aller Abwehrvorgänge, schon im Anfangsstadium verkümmert oder austrocknet: das Selbst. Woraus es sich nährt, ist durch Heinz Kohuts Formulierung fast sprichwörtlich geworden: aus dem Glanz im Mutterauge.

Doch dieser Glanz kann vergiftet sein, und um die Art dieses Gifts kreist Alice Millers Buch. Vieles von dem, was sie schreibt, ist von Pionieren der Psychoanalyse der letzten zwei Jahrzehnte in manchmal schwieriger Begriffssprache bereits formuliert worden, und sie nennt selbst die Namen, hei denen sie Anhalt und Rückendeckung gefunden hat: Spitz, Mahler, Winnicott, Kohut und andere.

Falsches Selbst:

------------------ Wer der Stolz seiner Eltern sein muss, weiss nie wirklich, ob er geliebt wird: es bleiben immer Bedingungen, oder, im schlimmeren Fall, eine schleichende Erpressung.
Was dabei zustande kommt, nannte Winnicott ein "falsches Selbst", das die oft unbewussten Erwartungen der Eltern zu seiner eigenen Substanz gemacht hat. Was das Kind wirklich ist, weiss dann niemand mehr. Um der Leere zu entgehen, denkt es sich oft Wunderdinge über sich aus, verliebt sich, um sich nicht zu hassen, in ein Traumbild von sich selbst, oder in das Traumbild, das die Eltern von ihm haben.
Je wichtiger das Kind als Krücke für die Eltern ist, desto größer wird später die Angst, wenn es, in einer Beziehung oder in einer Therapie, sich vor die ersehnte und zugleich erschreckende Möglichkeit gestellt sicht, dass da einer fragt: Wer bist du eigentlich?

Wer der Stolz der Eltern war durch dringlich erwartete Leistung oder "vorzeigbare Dressur, kann nur immer mehr leisten oder sieh immer besser anpassen, um Panik oder Depression zu vermeiden, wenn die äußere Anerkennung ausbleibt.

Mit ihrem Genie der frühen Anpassung, dem Radarsystem dafür, welche geheimen Bedingungen in der Familie ein Minimum von Zuneigung erbrachten, unterläuft es solchen Menschen, wenn sie schliessich nicht mehr weiterwissen und zum Analytiker gehen, daß sie die Ueberzeugungen des Therapeuten, auch wenn die unbekömmlich sind, in sich aufnehmen, ja aufsaugen, weil ihnen der innere Spielraum fehlt, auch nein zu sagen.

10 Strategien die Gesellschaft zu manipulieren - 20. Januar 2014 um 14:36

Gehirnwäsche nach Sylvain Timsit

Sylvain Timsit zeigt in seinem Text „10 Strategien der Manipulation“ auf satirische Weise, wie eine Gesellschaft manipuliert werden kann, ohne dass eine kritische Masse an Menschen in dieser Gesellschaft dies realisiert. In einer Zeit in der viele Bürger von der „plötzlich“ anwachsenden Brisanz politischer und wirtschaftlicher Verwerfungen überrascht sind, ist es besonders wertvoll, Timsits Einsichten zu verinnerlichen. Sylvain Timsit zeigt auf, wie das System beeinflusst wird und welche Informationen wir für relevant halten. Da Information immer zu Wahrnehmung führt und Wahrnehmung die Grundlage jeden Handelns ist, begründet Information letztendlich auch die soziale Realität. Ebenso den Wandel dieser.

1. Kehre die Aufmerksamkeit um
Das Schlüsselelement zur Kontrolle der Gesellschaft ist es, die Aufmerksamkeit der Oeffentlichkeit auf unwesentliche Ereignisse umzulenken, um sie von wichtigen Informationen über tatsächliche Aenderungen durch die politischen und wirtschaftlichen Führungsorgane abzulenken. Jene Strategie ist der Grundstein, der das Basisinteresse an den Bereichen Bildung, Wirtschaft, Psychologie, Neurobiologie und Kybernetik verhindert. Somit kehrt die öffentliche Meinung dem wirklichen gesellschaftlichen Problemen den Rücken zu, berieselt und abgelenkt durch unwichtige Angelegenheiten. Schaffe es, dass die Gesellschaft beschäftigt ist, beschäftige sie, beschäftige sie so, damit sie keine Zeit hat über etwas nachzudenken, entsprechend dem Level eines Tieres.

2. Erzeuge Probleme und liefere die Lösung
Diese Methode wird die „Problem-Reaktion-Lösung“ genannt. Es wird ein Problem bzw. eine Situation geschaffen, um eine Reaktion bei den Empfängern auszulösen, die danach eine präventive Vorgehensweise erwarten. Verbreite Gewalt oder zettle blutige Angriffe an, damit die Gesellschaft eine Verschärfung der Rechtsnormen und Gesetze auf Kosten der eigenen Freiheit akzeptiert. Oder kreiere eine Wirtschaftskrise um eine radikale Beschneidung der Grundrechte und die Demontierung der Sozialdienstleistungen zu rechtfertigen.

3. Stufe Änderungen ab
Verschiebe die Grenzen von Änderungen stufenweise, Schritt für Schritt, Jahr für Jahr. Auf diese Weise setzte man in den Jahren 1980 und 1990 die neuen radikalen sozio-ökonomischen Vorraussetzungen durch (Neoliberalismus): Ein Minimum an Zeugnissen, Privatisierung, Unsicherheit, und was der nächste Tag bringt, ist Elastizität, Massenarbeitslosigkeit, Einfluss auf die Höhe der Einkünfte, das Fehlen von Garantie auf gerechte Lohnarbeit.

4. Aufschub von Änderungen
Eine effektive Möglichkeit auf Akzeptanz einer von der Gesellschaft ungewollten Aenderung ist es, sie als „schmerzhaftes Muss“ vorzustellen, damit die Gesellschaft es erlaubt, sie in Zukunft einzuführen. Es ist einfacher zukünftige Opfer zu akzeptieren, als sich ihnen sofort auszusetzen. Zudem hat die Gesellschaft die naive Tendenz negative Veränderungen mit einem „alles wird gut“ zu umschreiben. Diese Strategie gibt den Bürgern mehr Zeit sich der Aenderung bewusst zu werden und die Akzeptanz in eine Art der Resignation umzuwandeln.

5. Sprich zur Masse, wie zu kleinen Kindern
Die Mehrheit der Inhalte, die an die Öffentlichkeit gerichtet werden, werden durch Art und Weise der Verkündung mißbraucht; Sie sind manipuliert durch Argumente oder sogar durch einen gönnerhaften Ton, den man normalerweise in einer Unterhaltung mit Kindern oder geistig behinderten Menschen verwendet. Je mehr man seinem Gesprächspartner das Bild vor den Augen vernebeln will, umso lieber greift man auf diese Technik zurück. Warum? Wenn du zu einer Person sprichst, als ob sie 12 Jahre alt wäre, dann weil du ihr genau das suggerieren möchtest. Sie wird mit höchster Wahrscheinlichkeit kritiklos reagieren oder antworten, als ob sie tatsächlich 12 Jahre alt wäre.

6. Konzentriere dich auf Emotionen und nicht auf Reflexion
Der Missbrauch des emotionalen Aspektes ist eine klassische Technik um eine rationale Analyse und den gesunden Menschenverstand eines Individuums zu umgehen. Darüber hinaus öffnet eine emotionale Rede Tür und Tor Ideologien, Bedürfnisse, Ängste und Unruhen, Impulse und bestimmte Verhaltensweisen im Unterbewusstsein hervorzurufen.

7. Versuche die Ignoranz der Gesellschaft aufrechtzuerhalten
Die Masse soll nicht fähig sein, die Methoden und Kontrolltechniken zu erkennen. Bildung, die der gesellschaftlichen Unterschicht angeboten wird, soll so einfach wie möglich sein, damit das akademische Wissen für diese nicht begreifbar ist.

8. Entfache in der Bevölkerung den Gedanken, dass sie durchschnittlich sei
Erreiche, dass die Bürger zu glauben beginnen, dass es normal und zeitgemäß sei dumm, vulgär und ungebildet zu sein.

9. Wandle Widerstand in das Gefühl schlechten Gewissens um
Erlaube es, dass die Gesellschaft denkt, dass sie aufgrund von zu wenig Intelligenz, Kompetenz oder Bemühungen die einzig Schuldigen ihres Nicht-Erfolges sind. Das „System“ wirkt also einer Rebellion der Bevölkerung entgegen, indem dem Bürger suggeriert wird, dass er an allem Übel schuld sei und mindert damit dessen Selbstwertgefühl. Dies führt zur Depression und Blockade weiteren Handelns. Ohne Handeln gibt es nämlich keine Revolution!

10. Lerne Menschen besser kennen, als sie sich selbst es tun
In den letzten 50 Jahren entstand durch den wissenschaftlichen Fortschritt eine Schlucht zwischen dem Wissen, welches der breiten Masse zur Verfügung steht und jenem, das für die schmale Elite reserviert ist. Dank der Biologie, Neurobiologie und der angewandten Psychologie erreichte das „System“ das Wissen über die menschliche Realität im physischen als auch psychischen Bereich. Gegenwärtig kennt das „System“ den Menschen, den einzelnen Bürger, besser als dieser sich selbst und verfügt somit über eine größere Kontrolle des Einzelnen.

Autor: Sylvain Timsit
Originalquelle:Découvrez l’Alchimiste en Vous
Deutsche Übersetzung und Korrektur: Patryk Kopaczynski, Eve Bugs


- "10 Strategien der Manipulation revisited? Kommentar von Jascha Jaworski im Online-Magazon 'Teleopolis' vom 10.08.2013
Gemeint sind Strategien zur Lenkung ganzer Bevölkerungen. französischsprachigen interdisziplinären Journal 'Les cahiers psychologie politique' als Autor wird Noam Chomsky aufgeführt.
dass die Strategien relativ schlicht, plausibel und - aus ein wenig Distanz - gut beobachtbar scheinen. Gerade Online-Medien laufen Gefahr einseitig zu werden, mit ihrer meist fragmentierten Themenauswahl und ihrem verkürzten, häufig rahmenlosen Informationsbombardement in Form von Info-Häppchen.
Keine Allein-Herrschaft einer dominanten Gruppe, sondern viele unterschiedliche Akteure, die ihren Einfluss einigermaßen ausgeglichen ausüben, so dass sich beim Angebot der Ideen jene durchsetzen, die den grundlegenden Interessen der Mehrheit entsprechen. Diese gesunde Konkurrenz der Ideen und Konzepte wird unterlaufen, wenn eine Partei oer Interssenvertretung mittels Lobbying, Dauerpräsenz in den Medien und/oder verzerrter Wiedergabe von Themen mit bewirtschafteten unlauteren oder unbewiesenen Schein-Zusammenhängen, solche Manipultionsstrategien anwendet um die Bevölkerung einer Schafherde gleich auf ihre Seite zu ziehen.

Strategie 2: Der forcierte Zyklus von Problem, Reaktion und Lösung
Wenn jemand das Auto absichtlich zu tanken vergisst, in der Hoffnung, dass so die ungeliebte Verabredung für die Oper ins Wasser fällt, mag von einer Mogelei die Rede sein. Wenn jedoch Gesellschaftsprobleme geradezu fabriziert werden, um in der Bevölkerung ein spezifisches Orientierungsbedürfnis hervorzurufen, das dann eine Lösung in die von Anfang an gewünschte ideologische Richtung ermöglicht, wird ein schweres Verbrechen begangen, besonders dann, wenn sich die Lebensbedingungen der Menschen hierdurch verschlechtern.
Neoliberale Ideenträger sind hierbei sehr begabt, wie sich etwa am Beispiel der staatlichen Finanzierungsbasis zeigen lässt, die zunehmend zerstört wurde, wodurch die öffentlichen Schulden in die Höhe schnellten und unter Schützenhilfe von Medien und Unternehmerlobbies die nötige Angst erzeugten, um falsche Lösungen in Form von Schuldenbremsen durchzusetzen. Diese führen schließlich zu Folgeproblemen (Finanzierungsengpass, Wirtschaftsstagnation, weiterer Staatsschuldenanstieg), die als nachfolgende Lösung dann das altbekannte Privatisierungskonzept revitalisieren, zunehmend jedenfalls das Einflussfeld für das (massiv konzentrierte) Privatkapital stark erweitern dürften.
Dies heißt Privatisierung und Deregulierung und ein Kürzen der Staatsausgaben. Widerstand gegen das Abspecken des Staates auf der Ausgabenseite kommt von der Bürokratie und den Subventionsempfängern.
Wahrscheinlich muß daher das Abmagern auf der Steuerseite ansetzen:
Steuersenkungen zum Mobilisieren des Diktats der leeren Kassen. Dies läßt allerdings, wie die Erfahrung zeigt, die Staatsdefizite steigen. Auch in der momentanen "Eurokrise" lässt sich eine derartige Strategie gut beobachten. So werden durch Sozialkürzungen Wirtschaftseinbrüche forciert, die die Massenarbeitslosigkeit ansteigen lassen, wobei eingeleitete Tarifsystemdemontagen [12] dann Lohnsenkungen befeuern, die wiederum zu Folgeproblemen und somit einer Erweiterung von Herrschaftswirkpunkten führen.2 Naomi Klein hat derartige Vorgehensweisen in ihrem Buch unter dem Titel "The Shock-Doctrine" an zahlreichen Beispielen aufgezeigt. Wer sich nun vor Augen hält, welchen Informationsvorsprung Eliten gegenüber ihren abgelenkten Bevölkerungen haben, besonders wenn Massenmedien als "vierte Gewalt" unter Ressourcenknappheit, sowie Faktoren der Kapitalbindung und unter Gesinnungsgleichklang agieren, braucht nicht viel Fantasie, um zu erkennen, wie leicht sich Krisen, Katastrophen und sonstige Probleme in vielen Bereichen verschärfen und nutzen[15] lassen.
Herbert Giersch[1], führender Neoliberaler, Wirtschafts"weiser" und Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, 1991

Strategie 3: Abstufung von Veränderungen
Wie es für basale Größen (Licht, Druck, Schallstärke etc.) im Bereich der Wahrnehmung selbstverständlich ist, dass ihre Veränderung ein gewisses Ausmaß je Zeiteinheit übersteigen muss, um überhaupt bemerkbar zu sein, so hängt auch die Wahrnehmbarkeit politischer Veränderungsprozesse von deren Abstufung ab. Die Ökonomisierung aller Lebensbereiche etwa kann nicht per Krise von heute auf morgen eingeführt werden, vielmehr muss sie von einflussreichen Institutionen über Generationen hinweg kulturell sedimentiert werden, wenn schließlich das Kosten- Nutzen-, Markt- und Managementmodell zum totalen Gesellschaftsprinzip werden soll. Auch im kleineren Maßstab werden derartige Techniken angewandt. Eine OCEDVeröffentlichung[ 16] empfiehlt im Falle geplanter Kürzungen im Schul- und Universitätsbereich etwa, wegen der Gefahr von Protesten der betroffenen "politisch wachsamen" Gruppe, nicht die staatlichen Förderbeträge zu senken, sondern sie einfach nominal konstant zu halten, um durch Inflation oder die Einführung "administrativer Beschränkungen" (- die aufkommenden Mehrbedarf abwehren -) schrittweise das gleiche Ergebnis hervorzurufen.3 Dieser Inflationstrick durch Nicht- Steigerung von Nominalbeträgen kommt auch seit Längerem beim Abbau des Rentenniveaus zur schleichenden Anwendung.

Strategie 4: Aufschub von Veränderungen
Sollen geplante Verschlechterungen der Bedingungen für einen Großteil der Bevölkerung eingeführt werden, gilt es, die vermeintlichen Gründe hierfür früh genug an den Horizont zu heften. Solange es noch nicht akut ist, wird die Zivilgesellschaft wenig Motivation aufbringen, die Behauptungen zu überprüfen, ist es akut, lässt sich auf eine Geschichte der Ankündigungen verweisen, die das konstruierte Problem als vertraute Tatsache erscheinen lassen.
Demographischer Wandel und globale Konkurrenz wurden hierzulande etwa frühzeitig ins Rampenlicht gesetzt (und entsprechend drapiert[17]), so dass selbst in Zeiten des neoliberalen Dauerversagens[18] Lohn-, Renten- und Sozialkürzungen weiterhin als zwar "schmerzhafte", jedoch zeitgemäße Ideen erscheinen. In der Zwischenzeit wurde die Marktlogik zudem so im Alltagsleben verankert, dass innerhalb ihrer engen Grenzwände Slogans wie "There is no alternative"[19] (Margret Thatcher) oder "Das ist alternativlos"[20] (Angela Merkel) nicht als Indikatoren für Demokratieunfähigkeit zur sofortigen Abwahl führen, sondern allenfalls verbale Restwiderstände hervorrufen.

Strategie 5: Anrede in Kindersprache
Will man unangenehme Inhalte verkünden, wird in der Politik einerseits gern auf Nullbotschaften zurückgegriffen, in denen verklausuliert und fehlbetont wird, so dass sich Beliebiges in das Gesagte hineindeuten lässt, jedoch ohne gezieltes Nachfragen – das häufig nur durch das Nadelöhr gestattet wird - keine Angriffsfläche für ernstzunehmende Kritik aufkommt.
Wird die Bevölkerung hingegen direkt angesprochen, bietet es sich an, das kollektive Gegenüber in die Kinderrolle zu zwängen, indem eine schlichte Sprache, die auf relevante Details verzichtet, in einen gönnerhaften oder auch fürsorglich-mitfühlenden Ton gekleidet wird. Menschen werden früh daran gewöhnt, bestimmten Rollenmustern zu entsprechen, die durch Umgebungsreize aktiviert werden. Und gerade in einer stark konservativen Gesellschaft, der klare Hierarchien und Verhaltensmuster eingraviert sind, dürfte diese Technik den gewünschten Erfolg in Form von Nicht-Hinterfragung und vertrauensseliger Hinnahme erzielen.

Strategie 6: Reflexionen durch Emotionen ersetzen
Was gemeinhin als "Denken" bezeichnet wird, ist eine Fähigkeit, die evolutionsgeschichtlich recht jungen Datums ist. Der Grundstock des menschlichen Geistes ist ein emotionaler, der auch über solche Wege zum Urteilsvermögen führt, an deren Toren Wächter der Vernunft ihren Dienst schlicht verweigern.
Wirken die Inszenierung der heilen Familie oder das Dankeswort an die lächelnde Frau samt Kindern in US-präsidentiellen Auftritten dann doch eher plump auf viele Menschen hierzulande, so werden das Seriösität ausstrahlende Brillengestell eines Frank-Walter Steinmeier, die mütterliche Physiognomie von Frau Merkel oder auch das mit "Modernität", "Nachhaltigkeit" und "Verantwortung" assoziierte Label der Grünen trotz langfristiger und systematischer Verprellung der Mehrheit leider weiterhin von dieser Mehrheit gewählt.
Hier dürften prähistorische Wesenszüge einerseits und moderne PR- und Markenbildungstechniken andererseits ineinander greifen, so dass in Abstimmungen und an Wahlurnen eigentlich zwei Stimmzettelkästen platziert werden müssten: einer für die Fragestellung, ob Frau Merkel eine irgendwie beruhigend pflichtbewusste Mütterlichkeit ausstrahlt, und einer für die Fragestellung, ob Renten und Sozialleistungen europaweit gesenkt, Ungleichheit und Arbeitslosigkeit rasch zunehmen, "Wettbewerbsfähigkeit" und Bevölkerungskonkurrenz zum obersten Leitmotiv der Menschheit und deutsche Panzerlieferungen an Diktaturen zwecks Aufstandsunterdrückung zum Normalfall werden sollen.

Strategie 7: Ignoranzförderung
Ignoranz kann sowohl das Nicht-Wissen, als auch das Nicht-Wissen-Wollen umfassen. Beide Umstände dürften eng miteinander verkoppelt sein, etwa darüber, dass Nicht- Wissen in als relevant erachteten Belangen Scham auslösen kann. Verschiedene Möglichkeiten der Schamvermeidung können dann nämlich das Nicht-Wissen-Wollen begünstigen. So kann man sich komplett Umfeldern fernhalten, die etwa gesellschafts- und machtpolitische Themen anschneiden, um auf diese Weise das schambehaftete Erkennen des eigenen Nicht-Wissens aus dem Bewusstseinsfokus zu ziehen. Oder man kann die Relevanz des Wissens bestreiten und auf Formeln wie "Es bringt doch eh nichts!", "Da kann man nichts machen!", "Die Welt ist nun einmal so!" ausweichen, die wie Vorhänge überall dort angebracht werden, wo ansonsten das beruhigende Ambiente gestört wäre. Dies sind zwar menschliche Verhaltensmuster, jedoch zugleich solche, die von staatlicher und kapitalistischer Obrigkeit zum Nachteil der Bevölkerungsmehrheit ausgenutzt werden. "10 Strategien der Manipulation" revisited | Telepolis (Print) Page 4 of 10 http://www.heise.de/tp/druck/ob/artikel/39/39675/1.html 25.10.2015 Beispielhaft kann auf die enorme Diskrepanz zwischen Wissen und Wissensrelevanz in ökonomischen Belangen verwiesen werden: Was ist Geld? Welche Funktion tragen Löhne und Produktivität innerhalb einer Volkswirtschaft? Wie sehen die Verteilungsverhältnisse aus und wie haben sie sich entwickelt? Wem gehört was und warum? Warum gibt es Massenarbeitslosigkeit und wie wirkt sie sich auf die Machtverhältnisse innerhalb einer Gesellschaft aus? Seltsamerweise werden derartige Fragen in Schule und Privatfernsehen kaum, nicht kontrovers oder lediglich fragmentiert behandelt, obwohl die mit ihnen verbundenen Begrifflichkeiten doch immer dann das letzte Wort stellen, wenn es darum geht, einschneidende Veränderungen von gesamtgesellschaftlicher Tragweite zu rechtfertigen. "Das kostet Arbeitsplätze!", "Wir können uns diesen Sozialstaat nicht mehr leisten!", "Wir brauchen Strukturreformen!", "Die Wettbewerbsfähigkeit muss gesteigert werden!" usw. Umfassendes Wissen würde hier also zur demokratischen Notwendigkeit gehören (- zumindest wenn sich Demokratie nicht auf einen blinden motorischen Akt an der Wahlurne beschränken soll). Systematische Ignoranz der Menschen wird hierbei jedoch durch privatwirtschaftlichen Lobbyismus[22], durch mediale Verblödung[23], oder auch durch zunehmende Arbeitsverdichtung, Einkommenskonkurrenz und Statusängste - die den Fokus auf das Nahumfeld verengen - in ihren Bedingungen gefördert. Strategie 8: Durchschnittlichkeit propagieren Eines der Probleme von Eliten in formalen Demokratien besteht darin, dass sich trotz ablenkender und verschleiernder Techniken dennoch ein Teil der Menschen für gesamtgesellschaftliche, politische und machtbezogene Entwicklungen interessiert und dieser Teil an relevante Informationen gelangt, um andere auf Systemverbrechen5 aufmerksam machen zu können. Hier gilt es, die richtige Haltung in den Menschen auszulösen, um die brisanten Informationen auf unfruchtbaren Boden fallen zu lassen: "Ihr seid durchschnittlich! Kümmert euch nicht um derart gehobene Probleme, das regeln andere! Es hat nichts mit eurem Lebensumfeld zu tun!" Arbeiten, konsumieren, massengefertigte Unterhaltungsangebote wahrnehmen und sich im Kleinen die Redlichkeit leisten, über die im Großen nur gespottet werden kann, daraus besteht die genormte Realität, die die Menschen anzunehmen und ihren Mitmenschen gefälligst weiterzuvermitteln haben. Strategie 9: Widerstand in schlechtes Gewissen überführen Stéphan Hessel, der berühmte Kämpfer der Résistance und Mitverfasser der Menschenrechtserklärung forderte in einem kleinen Buch auf: "Empört Euch!" Er zielte auf die diskriminierenden, antisozialen und machtkonzentrierenden Verhältnisse unserer Zeit ab, wie sie die Zivilisation tiefgreifend bedrohen, und plädierte hierbei für eine engagierte und informierte Lebenshaltung, die auch auf Mittel des zivilen Ungehorsams zurückgreift. Um gerade die Voraussetzungen dieser Art von Lebenshaltung zu sabotieren, geht es bei der Aufrechterhaltung der Verhältnisse aus Sicht der Funktionseliten darum, den Menschen ein schlechtes Gewissen zu machen, um sie zu lähmen. Es wird ihnen vermittelt, dass sie unzureichend seien oder gar die Natur des Menschen insgesamt schlecht sei. Der Mensch sei ein Egoist, gierig und faul, und wer daran nicht glaubt, ist ein "Gutmensch". "10 Strategien der Manipulation" revisited | Telepolis (Print) Page 5 of 10 http://www.heise.de/tp/druck/ob/artikel/39/39675/1.html 25.10.2015 Diese mehr oder weniger implizit vermittelte Botschaft lässt sich etwa in den vielfältigen factual entertainment[24] TV-Formaten beobachten, sie klingt hindurch in Slogans wie "Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt" oder kommt zum Ausdruck bei der Etablierung abwertender, strafender und künstlich verknappender Lebensumfelder, wie sie etwa millionenfach durch die Hartz-Umkonstruierung[25] des Sozialsystems geschaffen wurden, die begleitet war von einer öffentlichen Hetzerei gegen die sozial Benachteiligten in diesem Land. Die hierbei erzeugte Atmosphäre demoralisiert nicht allein die direkt Betroffenen, sondern ebenso weite Teile der Bevölkerung, da sie die allgemeine Abneigung auf jene Mitmenschen lenkt, die an den Sozialstaat gebunden sind, anstatt diese Abneigung gegen die eigentlichen Kollektivursachen des Leids zu richten. Diese Atmosphäre entsolidarisiert zudem, indem jede oder jeder in Bezug auf sich selbst oder seine Mitmenschen zum schlechten Gewissen aufgerufen wird, das den Rückzug ins Nahumfeld empfiehlt, um wenigstens dort "anständig" und leistungsbereit zu sein. Strategie 10: Mehr Wissen über Menschen anhäufen, als diese es über sich selbst tun Während allerlei alltägliches Trommelfeuer und kommerzielle Aufmerksamkeitsmagneten die Bevölkerung in Unwissen und Ablenkung gegenüber den gesellschaftlichen Verhältnissen zu fixieren vermögen, hindert jene, die viel zu verlieren und zugleich umfassende Ressourcen[26] haben, um dies zu verhindern, natürlich nichts daran, ganz nach der Aussage "Wissen ist Macht" zu handeln oder auch stellvertretend für sich handeln zu lassen. Thinktanks z.B. fungieren hier als Institutionen, die Millionensummen seitens mächtiger Kapitalinteressen als Input erhalten und dafür Herrschaftswissen durch eigene oder in Auftrag gegebene Studien erzeugen und für Funktionseliten und Entscheidungsträger geeignet aufbereiten.6 Diese Form systematischer Wissensanhäufung speziell zur Gesellschaftslenkung7 war bereits zu Anfang des 20. Jhd. bekannt, so schrieb etwa einer der Begründer der PRIndustrie, Edward Bernays, in seinem Werk "Propaganda" von 19288: Die bewusste und zielgerichtete Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen ist ein wesentlicher Bestandteil demokratischer Gesellschaften. Organisationen, die im Verborgenen arbeiten, lenken die gesellschaftlichen Abläufe. Sie sind die eigentlichen Regierungen in unserem Land. Wir werden von Personen regiert, deren Namen wir noch nie gehört haben. Sie beeinflussen unsere Meinungen, unseren Geschmack, unsere Gedanken. Doch das ist nicht überraschend, dieser Zustand ist nur eine logische Folge der Struktur unserer Demokratie: Wenn viele Menschen möglichst reibungslos in einer Gesellschaft zusammenleben sollen, sind Steuerungsprozesse dieser Art unumgänglich. Betrachtet man die Welt als ein kausales Netzwerk, in dem eine unendliche Vielzahl von Ursachen und Wirkungen miteinander auf verschiedensten Ebenen verbunden ist, müssen ressourcenstarke Institutionen nicht einmal wissenschaftlich tiefgreifende Theorien entwerfen, sondern können allein über umfassende Dokumentation und statistische Analysen (Big Data und Data Mining) ein sagenhaftes Interventionswissen auf gesellschaftlicher Ebene hervorbringen9, das zugleich nicht der Gesamtbevölkerung zur Immunisierung zur Verfügung gestellt wird, sondern stattdessen ihrer "sanften Manipulation" dient. Die Kombination aus immensen Datensammlungen, wie Google und Facebook sie vornehmen, defizitären Datenschutzbestimmungen und enormen Rechenkapazitäten, setzt der Fantasie jedenfalls kaum Grenzen. Nicht zuletzt die jüngere Anwendung moderner Techniken zu Überwachungszwecken (z.B. PRISM, INDECT) zeigt, wie staatliche und privatkapitalistische Interessen hier an einem Strang ziehen. Ein neoliberalisierter Wissenschaftsbetrieb von atomisierten Karrieristen10 lässt hierbei leider wenig Widerstand erwarten. Mehr denn je wären also all jene Menschen, die in den Herrschaftskalkülen lediglich zur Verwaltungsmasse gehören, die mit ihren bescheidenen Interessen nach einem auskömmlichen und friedlichen Leben leider den Großinteressen als Störfaktor gegenüberstehen, gut beraten, sich zu organisieren und sich an das altbekannte "Sapere aude!", "Habe Mut zu wissen!" zu halten. Dies selbst dann, wenn sie nur zu den klugen Egoisten gehören sollten, denen die Lotterie "Vom Tellerwäscher zum Millionär" ein zu unsicheres Unterfangen ist.
Quellen:
http://www.heise.de/tp/druck/ob/artikel/39/39675/1.html 25.10.2015
http://le-bohemien.net/2011/06/16/10-strategien-die-gesellschaft-zu-manipulieren/
http://lodel.irevues.inist.fr/cahierspsychologiepolitique/index.php?id=1805

NIKO PAECH

"Dieses System verschleisst immer mehr Menschen. Insbesondere die Selbstverwirklichungszwänge im Konsum und in der Mobilität, zu denen sich dann noch der berufliche Stress gesellt, überfordern uns."
Wir müssen uns mit Strukturen anfreunden, die ohne Wachstum auskommen, denn nur so werden sie stabil sein können. Das Motto lautet: Kleiner und weniger global.

Niko Paech, "Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie" - ISBN: 3865811817 - 2012 - 155 pages

Noch ist die Welt nicht bereit, von der Droge "Wachstum" zu lassen. Aber die Diskussion über das Ende der Maßlosigkeit nimmt an Fahrt auf. Der Umweltökonom Niko Paech liefert dazu die passende Streitschrift, die ein "grünes" Wachstum als Mythos entlarvt. Nach einer vollen Arbeitswoche möchte man sich auch mal etwas gönnen: ein neues Auto, ein iPad, einen Flachbildfernseher. Ruckzuck steckt man im Teufelskreis aus Konsumwunsch und Zeitmangel. Und nicht nur das: der stete Ruf nach "mehr" lässt Rohstoffe schwinden und treibt die Umweltzerstörung voran. Dabei gelten "grünes" Wirtschaftswachstum und "nachhaltiger" Konsum als neuer Königsweg. Doch den feinen Unterschied hier "gutes", dort "schlechtes" Wachstum hält Niko Paech für Augenwischerei. In seinem Gegenentwurf, der Postwachstumsökonomie, fordert er industrielle Wertschöpfungsprozesse einzuschränken und lokale Selbstversorgungsmuster zu stärken.
Das von Paech skizzierte Wirtschaften wäre genügsamer, aber auch stabiler und ökologisch verträglicher. Und es würde viele Menschen entlasten, denen im Hamsterrad der materiellen Selbstverwirklichung schon ganz schwindelig wird.

Grundzüge einer Postwachstumsökonomie
Als „Postwachstumsökonomie“ wird eine Wirtschaft bezeichnet, die ohne Wachstum des Bruttoinlandsprodukts über stabile, wenngleich mit einem vergleichsweise reduzierten Konsumniveau einhergehende Versorgungsstrukturen verfügt. Die Postwachstumsökonomie grenzt sich von landläufigen, auf Konformität zielende Nachhaltigkeitsvisionen wie „qualitatives“, „nachhaltiges“, „grünes“, „dematerialisiertes“ oder „decarbonisiertes“ Wachstum ab. Den vielen Versuchen, weiteres Wachstum der in Geld gemessenen Wertschöpfung dadurch zu rechtfertigen, dass deren ökologische „Entkopplung“ kraft technischer Innovationen möglich sei, wird somit eine Absage erteilt.

Entstehungsgeschichte:
Das Konzept der Postwachstumsökonomie orientiert sich an einer Suffizienzstrategie und dem partiellen Rückbau industrieller, insbesondere global arbeitsteiliger Wertschöpfungsprozesse zugunsten einer Stärkung lokaler und regionaler Selbstversorgungsmuster. Enthalten sind zudem Ansätze der Geld- und Bodenreform.
Die Grundidee wurde an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg entwickelt und 2007 im Rahmen der Auftaktveranstaltung des Archivs für Geld- und Bodenreform“ http://www.sozialoekonomie.info/Archive/Archiv_Geld-_und_Bodenreform/archiv_gel d-_und_bodenreform.html erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Daran anknüpfend wurde eine seither regelmäßig stattfindende „Ringvorlesung zur Postwachstumsökonomie“ www.postwachstumsoekonomie.org ins Leben gerufen, die inzwischen zu einem europaweiten Forum und Netzwerk interessierter Personen aus Wissenschaft und Gesellschaft gediehen ist. Dieser Prozess wird von den beiden Oldenburger Ökonomen Niko Paech und Werner Onken moderiert. Darüber hinaus konnte das Konzept auf zahlreichen Konferenzen und Tagungen zur Diskussion gestellt werden.

Gründe für die Alternativlosigkeit einer Postwachstumsökonomie:
1. Die Möglichkeit, in Geld und über Märkte transferierte Wertschöpfung systematisch von ökologischen Schäden zu entkoppeln, entbehrt jeder theoretischen und empirischen Grundlage.
2. Nach Erreichen eines bestimmten Niveaus bewirken Zunahmen des Einkommens bzw. Konsums keine weitere Steigerung des individuellen Wohlbefindens (Lebenszufriedenheit oder sog. „Glück“).
3. Die soziale Logik des Wachstumsimperativs, wonach Hunger, Armut oder Verteilungsungerechtigkeit durch ökonomische Expansion zu beseitigen sei, ist hochgradig ambivalent. Das Eintreten kontraproduktiver sozialer Effekte des wirtschaftlichen Wachstums ist nicht minder wahrscheinlich.
4. Wirtschaftswachstum stößt an ökonomische Grenzen. Das als „Peak Oil“ apostrophierte Phänomen einer zu erwartenden Ressourcenverknappung weitet sich absehbar dergestalt aus, dass von einem herannahenden „Peak Everything“ auszugehen ist. Insbesondere die explosionsartige Nachfragesteigerung von Aufsteigernationen wie China und Indien führt zu einer entsprechenden Verteuerung jener Ressourcen, auf deren bislang vermeintlich unbegrenzter Verfügbarkeit der materielle Wohlstand basierte.

Umsetzung:
Der Weg zur Postwachstumsökonomie fußt auf fünf Entwicklungsschritten, die sich auf einen Wandel von Lebensstilen, Versorgungsmustern, Produktionsweisen und auf institutionelle Innovationen im Bereich des Umgangs mit Geld und Boden beziehen:
1. Entrümpelung und Entschleunigung. Es entspricht ökonomischer Logik in Reinform, sich klug jenes Ballasts zu entledigen, der Zeit, Geld, Raum und ökologische Ressourcen beansprucht, aber nur minimalen Nutzen stiftet. Eine solchermaßen begründete Suffizienzstrategie konfrontiert die Suche nach weiteren Steigerungen von Güterwohlstand und Komfort mit einer Gegenfrage: Von welchen Energiesklaven, Konsum- und Komfortkrücken ließen sich übervolle Lebensstile und schließlich die Gesellschaft als Ganzes befreien?
2. Balance zwischen Selbst- und Fremdversorgung. Wer von monetär basierter Fremdversorgung abhängig ist, verliert seine Daseingrundlage, wenn die Geld speiende Wachstumsmaschine ins Stocken gerät. Sozial stabil sind nur Versorgungsstrukturen mit geringerer Distanz zwischen Verbrauch und Produktion. Dazu zählt die Reaktivierung von Kompetenzen, manuell und kraft eigener Fertigkeiten Bedürfnisse jenseits kommerzieller Märkte zu befriedigen. Durch eine Umverteilung der Erwerbsarbeit ließen sich Selbst- und Fremdversorgung so kombinieren, dass die Geld- und Wachstumsabhängigkeit sinkt. Eigenarbeit, (urbane) Subsistenz, Community-Gärten, Tauschringe, Netzwerke der Nachbarschaftshilfe, Verschenkmärkte, Einrichtungen zur Gemeinschaftsnutzung von Geräten/Werkzeugen etc. würde zu einer graduellen De-Globalisierung verhelfen.
3. Regionalökonomie. Viele Bedarfe ließen sich durch regionale Märkte, verkürzte Wertschöpfungsketten bis hin zu Konzepten wie Community Supported Agriculture (CSA) befriedigen. Regionalwährungen könnten Kaufkraft an die Region binden und damit von globalisierten Transaktionen abkoppeln. So würden die Effizienzvorteile einer geldbasierten Arbeitsteilung weiterhin genutzt, jedoch innerhalb eines ökologieverträglicheren und krisenresistenteren Rahmens.
4. Stoffliche Nullsummenspiele. Konsumansprüche, die sich nicht entrümpeln oder durch lokale/regionale Versorgungsstrukturen substituieren lassen, bilden die weiter zu minimierende Restgröße an industrieller und ggf. globalisierter Produktion. Die damit korrespondierenden Produkte und Infrastrukturen ließen sich über noch weitgehend unausgeschöpfte Möglichkeiten der Nutzungsdauerverlängerung oder Nutzungsintensivierung dergestalt optimieren, dass anstelle zusätzlicher materieller Produktion die Instandhaltung und Aufwertung bereits vorhandener Artefakte träte.
5. Institutionelle Innovationen. Zur Milderung systemimmanenter Wachstumszwänge ist eine Boden- und Geldreform nötig. So könnten Regionalwährungen mit einer zinslosen Umlaufsicherung versehen werden. Weiterhin wäre die noch immer fehlende Abschätzung, Zurechnung und Deckelung von Umweltbeanspruchungen dadurch zu beheben, dass der dehnbare Nachhaltigkeitsbegriff durch individuelle CO2-Bilanzen konkretisiert wird. Jede Person hätte ein Anrecht auf dasselbe jährliche Emissionskontingent (ca. 2 – 3 Tonnen), das allerdings handelbar wäre. Die Summe aller Kontingente dürfte höchstens der globalen Gesamtbelastung entsprechen, die mit der Einhaltung des Zwei-Grad-Klimaschutzziels vereinbar wäre.

Weitere Forschung
Den erweiterten Kontext einer wissenschaftlichen Analyse aller Fragestellungen und Begründungszuammenhänge rund um eine Ökonomie ohne Wachstum bildet die „Postwachstumsökonomik“, deren Objektbereich neben einer Fundierung der Postwachstumsökonomie auch die Erforschung relevanter Wachstumstreiber umfasst.

Literatur


Binswanger, H. Chr. (2009): Vorwärts zur Mäßigung – Perspektiven einer nachhaltigen Wirtschaft, Hamburg.
Daly, H. (1999): Wirtschaft jenseits von Wachstum, Salzburg/München.
Daly, H. (2009): Steady-State-Ökonomie – Ein Wirtschaftssystem des langfristigen Gleichgewichts, in: Zeitschrift für Sozialökonomie 162./163. Folge, S. 39 – 42. http://www.sozialoekonomie-online.de/ZfSO-162-163_Daly.pdf
Georgescu-Roegen, N. (1971): The Entropy Law and the Economic Process, Cambridge.
Gronemeyer, M. (1988): Die Macht der Bedürfnisse, Reinbek.
Illich, I. (1980): Selbstbegrenzung, Reinbek.
Kohr, L. (2002): Das Ende der Großen – zurück zum menschlichen Maß, Salzburg.
Onken, W. (2004): Geld- und bodenpolitische Grundlagen einer Agrarwende, Kiel.
Paech, N. (2005): Nachhaltigkeit zwischen Dematerialisierung und Ökologisierung: Hat sich die Wachstumsfrage erledigt?, in: Natur und Kultur 6/1, S. 52 - 72. http://www.umweltethik.at/download.php?id=322
Paech, N. (2008): Regionalwährungen als Bausteine einer Postwachstumsökonomie, in: Zeitschrift für Sozialökonomie (ZfSÖ) 45/158-159, S. 10 – 19. http://www.sozialoekonomie-online.de/ZfSO-158-159_Paech.pdf
Paech, N. (2009): Die Postwachstumsökonomie – ein Vademecum, in: Zeitschrift für Sozialökonomie (ZfSÖ) 46/160-161, S. 28 - 31. http://www.sozialoekonomie-online.de/ZfSO-160-161_Paech.pdf
Paech, N. (2009): Wachstum light? Qualitatives Wachstum ist eine Utopie, in: Wissenschaft & Umwelt Interdisziplinär 13, S. 84 - 93. http://freiealtenarbeitgoettingen.de/cms/upload/Veranstaltungen/3-Nachlese/2009/pdf-Dateien/P aech-Wissenschaft-Umwelt-09.pdf
Sachs, W. (1993): Die vier E's : Merkposten für einen maß-vollen Wirtschaftsstil, in: Politische Ökologie, 1993, 33, S. 69 - 72.

http://postwachstumsoekonomie.org/html/paech_grundzuge_einer_postwach.html
http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/rb/18112013-macht-besitz-gluecklich-100.html
http://m.ardmediathek.de/Macht-Besitz-gluecklich-Unterwegs-in-einem-reichen-Land?docId=18187092&pageId=13932928



Ein Klassiker - Schumacher:


Tim Jackson - Wohlstand ohne Wachstum: Leben und Wirtschaften in einer endlichen Welt:

Gemeinwohl-Oekonomie:


Behary - Der Feind an ihrer Seite


BLACKROCK

ARD-Reportage: "Die Story im Ersten - Geld regiert die Welt"

Wie global vernetzte Finanz-Giganten wie Blackrock (eine sog. Schattenbank wo der allseits geschätzte Schweizer Ex-Notenbanker Hildebrand arbeitet...) nationale Gesetze umgehen und die "verkauften" (weil nach der Krise 2007 alle Daten zur Analyse an private Firmen gingen, weil der Staat ja beinahe pleite war...) Politiker vor sich her treiben.

Quelle:
Blackrock-Chef Laurence Fink - Dieser Schattenmann regiert mit vier Billionen Dollar die ganze Welt



Narzisstische Pseudo-Krankheiten:

- Burnout
- Trauma als Faszinosum:
Das Opferbewusstsein
In jüngerer Zeit sind verschiedene Bücher und wissenschaftliche Aufsätze erschienen, deren Autoren die Zeiterscheinung untersuchen, dass Trauma und Leiden eine besondere Wertschätzung erfahren, und welche Gründe und Auswirkungen das hat. Einige Veröffentlichungen zu diesem Thema: Die Autoren stellen fest, dass sich ein "Opferbewusstsein" entwickelt hat. Man ernennt sich selbst zum Märtyrer und kann der Aufmerksamkeit seiner Umwelt und des Verständnisses für Schwäche oder Versagen gewiss sein. Man ist als Opfer der Verantwortung für sich selbst weitgehend enthoben. Das Opferbewusstsein wird auch durch die Medien geschürt, die sich durch Berichte über Missbrauch, Vergewaltigung, Unfälle etc. hohe Auflagen und Einschaltquoten sichern. Doch auch hier lässt sich die Wahrheit nicht mit plakativen Sprüchen erfassen. Fest steht, dass tatsächliche Opfer von Kriegen oder Gewalt jahrzehntelang im Schatten des öffentlichen Bewusstseins standen und ihnen wenig Hilfe zuteil wurde. Fest steht auch, dass als Folge schwerer Traumata psychische Schwierigkeiten entstehen können (nicht müssen!), denen die Psychiatrie in der posttraumatischen Belastungsstörung Rechnung trägt. Fest steht aber auch -- rein statistisch -- dass wir eine Inflation angeblich traumabedingter Störungen erleben. So hat z. B. sich die jährliche Zahl der Publikationen zum Thema der posttraumatischen Belastungsstörung von 1986 bis 2006, also in zwanzig Jahren, vervierzehnfacht. Ein großer Teil dieser inflationären Entwicklung geht auf das Konto einer unter Therapeuten verbreiteten Umkehrung: Es gibt eine Störung, also muss sich doch ein Trauma dazu finden lassen. Das ist beispielsweise sehr häufig bei den Symptomen einer Borderline-Störung der Fall, deren diagnostische Kriterien ausschließlich Verhaltensauffälligkeiten aber kein Trauma enthalten. Stoffels erwähnt die These, die Kausalität sei umgekehrt: Nicht das Trauma sei Ursache der Borderline-Störung, sondern diese Störung sei verantwortlich für den Glauben an das Trauma. Der Zusammenhang mit falschen Erinnerungen an sexuellen Missbrauch Hier kommen wir nun auf das Hauptthema unserer Website zurück: Falsche Erinnerungen an sexuellen Missbrauch infolge einer Trauma-Erinnerungs- Therapie. Denn die erwähnte Arbeitsweise, aus Symptomen einen Rückschluss auf das Vorhandenseins eines Traumas zu schließen, ist typisch für diese Therapien. Wie vielfältig und unspezifisch die dafür herangezogenen Anzeichen sind, können Sie unter Symptome lesen. Wir erkennen, dass diese Therapien einem allgemeinen Trend entsprechen, der in den letzten 20-30 Jahren unsere Gesellschaft entscheidend verändert hat. Trauma-Erinnerungs-Therapien und falsche Erinnerungen an sexuellen Missbrauch sind nur ein Teilaspekt eines größeren gesellschaftlichen Zusammenhangs. Die Ziele und die Arbeit von False Memory Deutschland laufen einer allgemeinen Mode im öffentlichen Bewusstsein zuwider, den Pascal Bruckner als Die Krankheit der Moderne ansieht. Das macht es schwierig, die Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren

KOGNITIVE DISSONANZ:

Wie gehen Menschen mit Widersprüchen um? Wenn wir mit einem Widerspruch konfrontiert werden, müssen wir damit irgendwie fertig werden. Die Forscher bezeichnen die Situation als kognitive Dissonanz. Die einfachste Weise, damit fertig zu werden, ist es, sich für eine der beiden widersprechenden Seiten zu entscheiden und die andere für unwichtig oder ungültig zu erklären. Was hat das mit falschen Erinnerungen an sexuellen Missbrauch zu tun? Eine ganze Menge, denn wenn jemand hilfesuchend in eine Psychotherapie geht und dort hört, die Symptome sprächen für einen sexuellen Missbrauch im Kindesalter, während er eine gute und positive Erinnerung an seine Kindheit hat, dann ist diese Person einer kognitiven Dissonanz ausgesetzt. Die ist auf die Dauer unerträglich, sie muss aus der Welt geschafft werden. Nun hat der Therapierte zwei Möglichkeiten: • Er kann dem Psychotherapeuten vertrauen. Dann muss aber die Erinnerung an die eigene Kindheit und die Eltern umgeschrieben werden. • Er kann seiner Erfahrung vertrauen, dass er liebevolle und fürsorgliche Eltern gehabt hat. Dann kann er seine Therapie vergessen, denn dann ist der Therapeut jemand, dem man nicht vertrauen kann. Da der Therapeut von seiner These in der Regel selbst überzeugt ist, wird es ihm nicht schwer fallen, einen vertrauenswürdigen Eindruck zu machen. Daher wird der Therapierte oft genug die erste Möglichkeit wählen. Wählt er aber die zweite und weist die Zumutung des Therapeuten zurück, so kommt er vom Regen in die Traufe. Der Therapeut wird sagen, dass gerade die Ablehnung des sexuellen Missbrauchs nur eine unbewusste Methode ist, der schmerzlichen Wirklichkeit auszuweichen und damit ein erneutes Symptom für die These des Therapeuten sei. Schon sieht der Therapierte sich erneut in kognitiver Dissonanz, weil die These des Therapeuten der Struktur nach ein sich selbst beweisendes Dogma oder Axiom ist, siehe wissenschaftliche Methoden. Will der Therapierte die zweite der obigen Möglichkeiten wählen, so ist die einzige erfolgversprechende Maßnahme, die Therapie sofort abzubrechen. Dazu sind aber die meisten Therapierten nicht bereit. Literatur zu Kognitiver Dissonanz: Tavris, Ich habe recht, auch wenn ich mich irre, S. 25 - 64 Festinger, Leon, Theorie der kognitiven Dissonanz. Bern 1978, ISBN 3-456-80444-X

Das Unbehagen an der ESOTERIK:

Mentalisten, Zauberer, Illusionisten, Cold Reader, Hypnotiseure etc. etc.

Am besten geht man esoterisch anmutende Phänomene mit viel Humor und einer guten Portion Skepsis an: dann wird das Irrationale schnell einmal rational...
Alleine das sozialpsychologische Forschungsergebnis "Cold Reading" erklärt schon mal rund die Hälfte aller "Zaubertricks" eines Pascal Voggenhuber oder auch von ehrlichen Mentalisten wie David Mitterer oder Thorsten Havener.
Wuenschelwichte
Gwup in der Bunten
Wunsch-Bullshit ans Universum - Balder und Dreksler - Besser gehts nicht!

Wunschbullshit im Universum. Diesem Buch gelingt mühelos eine Gratwanderung zwischen ernster und fundierter Betrachtung und Kritik auf der einen und gnadenlos alberner Schreibe auf der anderen Seite. Weitgehend ist es in Dialogform geschrieben, was köstliche Pointen liefert.
Den Begriff Bullshit haben die Autoren aus höchst seriöser Quelle übernommen. Der Philosophieprofessor Harry G. Frankfurt schrieb 1986 sein einflussreiches Essay “Bullshit”. Damit bezeichnete Frankfurt den opportunistischen Umgang mit der Wahrheit, um eine beabsichtigte Wirkung zu erzielen. Der Bullshitter wird lügen oder zugleich die Wahrheit sagen. Es ist ihm gleichgültig. Hauptsache, er erreicht sein Ziel. Inzwischen ist “Bullshit” zu einem philosophischen Fachbegriff geworden.

SKEPTIKER
Skeptiker Schweiz

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COLD READING
HPD-Node
Brights Deutschland

"Jeder Mentalist hat eine eigene Definition von Mentalismus. Ich persönlich begreife mein Schaffen als eine Kombination verschiedenster Elemente wie Psychologie verschmolzen mit Magie, dem Lesen von Körpersprache oder Hypnose. Andere wiederum sehen ihre Begabung als etwas Übersinnliches. Bei mir war das eher umgedreht. Ich habe mit einer Begeisterung für das Übersinnliche begonnen, bin aber durch den Mentalismus zu einem Skeptiker geworden. Es ist erstaunlich leicht, die Sinne und den Geist zu verwirren, zu beeinflussen oder zu täuschen; ein Phänomen, das wir jeden Tag am eigenen Leib erfahren. Beispiele dafür findet man genügend...schon mal darüber gewundert, wieso so viele Produkte es in unseren Einkaufsbeutel schaffen, obwohl wir doch nur schnell Milch kaufen wollten?" (David Mitterer, zit. Homepage, Nov. 2013)

Robert Betz: Dampfplauderer - Strategie des Zuviel-Redens wirkt wie das Gegenteil, das verlangsamte Reden, auch "Verstand-Umgehend", will heissen: ohne Kortex sind wir mit dem limbischen System und dem Stammhirn ganz billigen Tricks und Beeinflussungen aller Art ausgesetzt.

Dieses induktive Moment des Abhängig-Machens, des Verstand-Ausschaltens haben alle Esoteriker drauf, das ist ihr Geschäftsmodell: durch die Hintertüre direkt zum unkritischen "Geist" vorstossen und dort die Botschaft, seien es Engel, Verstorbene oder ganz lapidar irgendein irdisches Produkt, ein-konditionieren, sodass brave Konsumenten und unkritische Ja-Sager entstehen, welche der Wirtschaft viel Freude bereiten - aber leider nichts beitragen zu einer gerechteren, sozialeren und grüneren Welt.

Robert Betz - Brightsblog Esoterik
Robert Betz - NDR Panorama
Robert Betz - NDR Panorama
Jugendsekten vs. Seniorensekten

Pascal Voggenhuber:
In letzter Zeit treibt ein Dreissigjäriger altersentsprechend cool und lässig durchs deutschsprachige Gebiet mit mentalistischem Talent und einer grossen Portion Paranoia, was sich auch aus seiner Biographie "Zwischen zwei Welten" erklärbar wird.

Pascal Voggenhuber - Klagandrohung wegen dem Begriff "Scharlatan"...
Pascal Voggenhuber - Skeptiker Blog Folge 25 - Cold-Reading-Analyse
Pascal Voggenhuber - Skeptiker Blog Folge 25
Pascal Voggenhuber - Interview Sonntagszeitung
Pascal Voggenhuber droht mit rechtlichen Schritten
Pascal Voggenhuber - Brightsblog



"Religion ist nicht länger das Monopol der Kirchen, sondern ein durchkommerzialisiertes Angebot spiritueller Meister, Therapeuten, Ausdruckstänzer oder Reiki-Lehrer. Inmitten einer entzauberten, individualisierten Welt boomt das freie religiöse Unternehmertum.
Wer bestehen will, muss drei Dinge im Angebot haben: Sinngebung, Lebenshilfe und Unterhaltung."

(zitiert aus: SPIEGEL 52-2000)

1. Religion/Glaube/Spiritualität — also der Bezug auf eine höhere kosmische Ordnung, die die sogenannte "Ganzheitlichkeit" oder "Einheit" darstellt. Diese soll in der Gesellschaft verwirklicht werden.
2. Biologistisches Denken — also das sich Berufen auf die "Autorität der Natur", um daraus Regeln und Ordnungen gesellschaftlicher Kommunikation herzustellen. Das heißt, biologistisches Denken, genauso wie Glauben und Spiritualität werden oftmals als Wissenschaft ausgeben.
3. Das Verkünden eines neuen Zeitalters, das einerseits durch eine neue kosmische Konstellation, andererseits durch einen Bewußtseinswandel der Menschen anbrechen wird.
4. Frauen bzw. das weibliche Prinzip werden zum welt- und menschheitsrettenden Prinzip erhoben. Die jahrhundertelange Unterdrückung der Frauen wird in ihr Gegenteil gekehrt — jedoch mehr auf der ideologischen Ebene denn auf der real-materiellen.
Esoterik — ein von Linken ignoriertes Massenphänomen
Die Esoterik-Bewegung stellt ein Massenphänomen dar, das in seiner gesellschaftlichen Bedeutung durchaus mit der 68er-Bewegung zu vergleichen ist. Was jedoch höchst erstaunt, ist, daß die Linke, insbesondere linke kritische Wissenschaft, dieses Phänomen in ihren Analysen weitgehend ausgespart hat. Große Teile der Linken sind nahtlos zur Esoterik übergewechselt, und die Restlinke hat sie rechts liegengelassen."
(Marina W&oum;lflingseder: Esoterik und die Linke - http://www.trend.infopartisan.net/trd0401/t070401.html)

Hugo Stamm schreibt in seinem Blog am 3. Aug. 2013: "Achtsam sind EsoterikerInnen vor allem sich selbst gegenüber. Sie nehmen für sich in Anspruch, alles holen und nehmen zu dürfen, das ihrer Selbstverwirklichung dient. Als spirituelle Elite, die die Menschheit aus der geistigen Dunkelheit führen muss, gebärden sie sich recht narzisstisch und egoistisch. Ihre Achtsamkeit beschränkt sich oft auf ihre eigene geistige Entwicklung.
Auch bei der Harmonie denken sie vor allem an sich. Harmonisch soll vor allem ihr exoterisches und esoterisches Leben sein. Ihre Energien sollen harmonisch schwingen, sie wollen nicht gestört werden von negativen Kräften der Aussenwelt. Nachrichten von politischen Unruhen, Katastrophen, Epidemien stören ihre Harmonie und bringen sie vm Pfad der Erleuchtung ab. Um soziale oder politische Harmonie kümmern sich viele Esoteriker nicht. Das könnte ihre innere Balance stören."

Auch die Steirische Arbeitskammer hat sich in einer Info-Broschüre dahingehend geäußert:
Die verschiedenen esoterischen Praktiken beziehen sich in erster Linie auf das Selbst (Selbstverwirklichung, Selbstfindung, etc.) und sind somit als egozentrische und großteils antisoziale Bewegungen zu sehen.
Die Ursachen für individuelles und kollektives Leid wird häufig in zynisch biologistischer Art und Weise als das verdiente „Karma” des Einzelnen und der Lauf der Geschichte als vorherbestimmt angesehen. Hauptsächlich wird mittels esoterischer Praktiken die Flucht der Menschen vor der Realität unterstützt, wobei gleichzeitig neue Abhängigkeiten von selbsternannten und geschäftstüchtigen Gurus bzw. „Seminaritis” geschaffen wird.
Mit der verständlichen und legitimen Sehnsucht der Menschen nach Ruhe und Gelassenheit, Gesundheit und Geborgenheit wird hauptsächlich viel Geld und Geschäft gemacht. Anstatt sich emanzipatorisch – kritisch – analytisch mit den gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen auseinander zu setzen, werden die Menschen mittels mystisch-transzendenten Hokuspokus künstlich unmündig gehalten.
Anstatt die immer bedrohlicher empfundene Welt aktiv und pro-sozial zu gestalten, um zu menschenwürdigen und herrschaftsfreien, egalitären Verhältnissen zu kommen, werden in der Esoterikwelt soziale Verantwortungen abgeschoben und mittels irrationalistischen und okkulten Methoden die Profitmaximierung voran getrieben.

So ähnlich sieht das auch Sibylle Berg - beziehungsweise hat sie es erlebt:
"Ist Ihnen noch nie aufgefallen, dass Esoteriker, Sichfinder, Erleuchtete eine wirklich unsympathische Menschengruppe sind? Das Bild, das mich in meinen Vorurteilen komplett bestätigte, fand ich in Sri Lanka. Ein Jahr nach dem Tsunami, die Einwohner hockten vor vergammelten Massenlagern, die Ruinen ihrer Häuser standen traurig da, vermutlich lagen auch noch Überreste von Tieren, Menschen, Radios herum. Am Strand jedoch war alles schon wieder geputzt.
Eine Gruppe deutscher Sinnsucher war angereist, um Yoga zu machen. Ich hörte ihr Feilschen um Centbeträge im schnell wieder errichteten Spaghetti-Restaurant. Da wollen Sie doch nicht dazugehören, zu diesen Leuten, die fast immer verspannte Mundwinkel haben und jeden Satz mit ICH beginnen…"

Sibylle Berg: "Ich rate Ihnen, brechen Sie schnell jede Beschäftigung mit Esoterik ab! Fast alle Gurus, Rückführungsgruppenleiter, Heiler, Seher, Rutengänger und Feuerspringer sind die Hedgefondsmanager 2.0. Hören Sie bloß auf, sich ständig nur mit sich selbst zu beschäftigen!"

ZEIT: Warum boomt die Esoterik?
Pollack
: Weil der Haupttrend in den westlichen Gesellschaften zu einem flexiblen Glauben ohne starke institutionelle Bindung geht, der zu unserer freien Lebensführung passt. Autoritäten sind out. Jeder sucht sich aus, woran er glauben kann. Die Zahlen zeigen es. Während Religiosität sukzessive zurückgeht, wächst das Interesse an sogenannten religiösen Praktiken. Am weitesten verbreitet sind traditionelle Formen des Esoterischen wie Astrologie und Pendeln. Andere Renner sind New Age, Anthroposophie, Zen, Reinkarnation, Tarot…

Max Rauner in "DIE ZEIT":
"Die Esoterik gleicht heute einem Supermarkt. Zur Auswahl steht der Fundus der Weltreligionen: die Engel und die Heiligen aus dem Christentum, Geister und Götter aus dem Hinduismus; die Anthroposophie Rudolf Steiners ist untergemischt sowie eine Mixtur aus Philosophie, Glauben und Aberglauben; dazugerührt das autoritätsstiftende Vokabular der Naturwissenschaft mit ihren "Feldern", "Energien" und "Quanten" (siehe Seite 35). An der Kasse wird alles zum Paket verschnürt und mit dem Etikett "Neu! Ganzheitlich! Spirituell!" versehen."

»Die Esoterik dringt zunehmend in den ganz normalen Alltag ein«, sagt Hartmut Zinser, Professor für Religionswissenschaft an der Freien Universität Berlin.
»Viele nehmen sie schon gar nicht mehr als esoterisch wahr. Und das macht es so problematisch.« Zwar ist nicht jede Wahrsagerei am Küchentisch eine Gefahr für Leib und Leben. Aber die neue Unbeschwertheit alarmiert die Experten.

Linke Gründe für das Massenphänomen Esoterik
Ein wesentlicher Grund für das Massenphänomen Esoterik liegt auch in der Tatsache begründet, daß die Linke heute wenig gesellschaftliche Relevanz hat. Und ein wesentlicher Grund für die geringe gesellschaftliche Relevanz der Linken ist, daß sie keine emanzipatorischen Perspektiven aufzeigt, sondern in historisch Überfälligem verhaftet ist. Es greift viel zu kurz, Kapitalismus als Klassen- und Interessensgegensatz anstatt als fetischisierte gesellschaftliche Totalität zu verstehen, in der die sozialen Beziehungen der Menschen nur verdinglichte sein können. Anstatt der defensiven Haltung der Linken sind radikale Analyse, offensive Kritik und systemüberwindende Perspektiven vonnöten. Der kapitalistische Nerv muß getroffen werden — also Wert, Ware, Geld, Lohnarbeit, Staat, Recht, Politik, Nation und Demokratie. Aufklärung und Demokratie sind keineswegs das Ende emanzipatorischer Entwicklung, sondern historische Gegebenheiten, über die hinausgedacht werden muß. Sie können aus historischen Gründen nicht mehr einer Emanzipation dienen. Am deutlichsten wird dies wohl am Beispiel der Lohnarbeit sichtbar."
(Marina W&oum;lflingseder: Esoterik und die Linke - http://www.trend.infopartisan.net/trd0401/t070401.html)

Daran erkennen Sie Seelenpfuscher
Der Anbieter...
•verspricht auf irgendeine, auch subtile Art Heilung.
•wirbt mit Krankengeschichten (das ist laut Heilmittelgesetz verboten).
•wertet die wissenschaftliche Psychotherapie oder die Schulmedizin ab.
•verweist auf eigene psychische Beschwerden, die er mit der Technik geheilt habe.
•behauptet, alle körperlichen Krankheiten über die Psyche behandeln zu können.
•macht für Misserfolge den Patienten verantwortlich.

Trifft von diesen Punkten auch nur einer zu, sollten Sie misstrauisch werden

Hilfe für Betroffene
So holt man Betroffene aus der Esoterikfalle:
•So absurd die Technik sein mag: Nehmen Sie Ihren Angehörigen oder Freund ernst.
•Machen Sie keine Vorwürfe, und versuchen Sie, den Betroffenen von Selbstvorwürfen zu entlasten.
•Auch wenn Ihr Angehöriger oder Freund Ihren Rat zunächst abwehrt: Bleiben Sie in Kontakt.
•Suchen Sie Hilfe bei Beratungsstellen, und versuchen Sie, den Betroffenen zu einer Beratung zu motivieren.
•Versuchen Sie (am besten mithilfe eines Beraters) zu klären, warum Ihr Angehöriger oder Freund für das esoterische Angebot so empfänglich ist. Oft suchen Betroffene in einer Krisensituation nach Verständnis, Anerkennung oder Zugehörigkeit.
•Zeigen Sie andere Wege auf, die Situation zu verbessern, etwa eine Paarberatung.
•Akute psychische Probleme wie Suizidgedanken sind ein Fall für den Psychotherapeuten oder Arzt, im Notfall auch für die Notaufnahme der nächsten Klinik.

Es gibt in der "Esoterik-Industrie" aber auch Menschen, welche auf einem ernsthaften und seriösen Hintergrund ihre Dienste anbieten, wie z.B. der Kollege Hellwig aus Hamburg:
"Joseph Murphy, Rhonda Byrne oder Pierre Franck – Bestsellerautoren verkaufen Millionen Bücher mit der simplen These, dass wir uns unser Schicksal selbst kreieren und das Begehrte einfach herbeiwünschen können. Die rosa Welt der Positivdenker wirft aber einen beträchtlichen Schatten. Murphy etwa hält Armut für eine «Krankheit des Geistes». Hungernde müssen sich als Negativdenker mit Armutsbewusstsein verhöhnen lassen. Das Positive Denken wurde so zur geistigen Begleitmusik der neoliberalen Ära. Statt Brot und Mitgefühl bekamen Notleidende Belehrungen über versäumte Eigenverantwortung. Was viele schon diffus spürten, hat der systemische Therapeut Mike Hellwig jetzt klar formuliert. In seinem Buch "Wie wir uns vom Positiven Denken heilen" geht er hart mit den Schönfärbern ins Gericht. Der Untertitel heisst "Ueber die Freiheit, alles fühlen zu dürfen". Da liegt der Knackpunkt: Enttäuschung, Leid und Verzweiflung, so Hellwig, gehörten zum menschlichen Leben. In einer Gesellschaft, in der ein Zwang zum Positivsein herrsche, müssten wir diese Regungen aber unterdrücken. Werde der Schmerz verleugnet, führe dies zur Abspaltung unserer wahren Gefühle. Dem stellt der Autor sein Konzept der «radikalen Erlaubnis» gegenüber. Wenn alle Persönlichkeitsanteile, auch unliebsame, integriert werden, müssen sie nicht gegeneinander kämpfen. Negative Gefühle sollten wir wie Gäste behandeln, sagt Mike Hellwig. Das heisst: Wir geben ihnen Aufmerksamkeit, solange sie da sind. Aber wir sollten auch dafür sorgen, dass sie nicht bei uns wohnen bleiben. (zitiert aus "Zeitpunkt", Sep. 2012, Rezensions-Text: Roland Rottenfusser

Mike Hellwig: Wie wir uns vom positiven Denken heilen – Über die Freiheit, alles fühlen zu dürfen. Verlag Herder 2012, 200 S.

Um den Schwenk in die reale Welt der Ungerechtigkeit, der Wirtschaft und der Politik zu schaffen, hier ein kritisches Votum von Jutta Ditfurth in der ZEIT:
"Es gibt keinen wirksameren Feind des Humanismus und kein schnelleres Fluchtgefährt aus der sozialen Realität als die Esoterik, den Irrationalismus, den Obskurantismus. So schroff sich esoterische Strömungen unterscheiden mögen, so übereinstimmend sind doch ihre Wesensmerkmale: Alle zementieren die herrschende Ordnung, oben und unten sollen bleiben, wo sie sind – alles Karma, Schicksal. Die umfassende Emanzipation des Menschen? Ein Verstoß gegen die ehernen Regeln irgendwelcher Götter, Geister und Naturgesetze. Esoteriker propagieren »Eliten«, »Rassen«, Antisemitismus, »höheres« und »minderwertiges« Leben; an vorderster Front steht die Anthroposophie mit ihrer abgrundtief rassistischen »Wurzelrassenlehre«."



Definition Tertiärer Narzissmus (Strukturmodell als Ergänzung zum dynamischen “Tacho”-Modell):

“Kollektiver, durch die Oekonomisierung aller Lebensbereiche (ab 1990) bedingter hysterisch-exhibionistischer “positiver Narzissmus” (vgl. Tacho-Modell) mit stark (asperger-)autistischen Zügen bei glztg. rücksichtslosem Geltungsdrang bis hin zur Soziopathie und zum Empathieverlust (“homo oeconomicus”).” Synonyme zum “Nummer Zwei”-Modell nach Schirrmacher: - Homo oeconomicus (Wirtschaftswissenschaften, Spieltheorie) - Falsches Selbst: Winnicott, Miller, Masterson - Sekundärer Narzissmus: Kernberg - Imago: Jung - Pseudo-Selbst/Kunst-Ich (populär) - Als-ob-Persönlichkeit - Projektive Identifizierung (Anna Freud, Objektbeziehungstheorien) - Bewunderung vs. “wahre Liebe”: soziale Medien wie Facebook und Twitter - Boulevardisierung und Empörung: statt Tiefe werden schnell wechselnde Eye-Catcher “verspammt” - Leistungsorientierung vs. “So-Sein-Dürfen” (Pädagogik) - Haben oder Sein (Erich Fromm) - Seele verkaufen (Goethes Faust) - Zauberlehrling (Schiller-Gedicht) - Oekonomie der Aufmerksamkeit (Georg Frank) - Mentaler Kapitalismus (Georg Frank) - Alles Ware (Robert Misik) Wirkfaktoren - Update Mai 2013:
“Spezifische Techniken der verschiedenen Psychotherapieschulen helfen also wohl eher den Therapeutinnen und Therapeuten, eine gute und hilfreiche Beziehung zu ihren Patientinnen und Patienten herzustellen. Diese Beziehung dürfte dann den Grossteil der heilenden Wirkung ausmachen – Psychotherapieschule hin oder her.” (Znoj in SRF Mittagsjournal 29.5.2013: Psychotherapien - Die Qual der Wahl)

LITERATUR zu Narzissmus Kollektiv:
- Schirrmacher, Frank: Ego - Das Spiel des Lebens
- Graebner: Schulden, die nächsten 5000 Jahre
- Vogl, Joseph: Das Gespenst des Kapitals
- Müller, Dirk: Crashkurs / Cashkurs / Buch2013
- PAECH, Niko: Befreiung vom Ueberfluss
- Welzer, Harald: Kursbuch 2013
- KURZ, Robert: Schwarzbuch Kapitalismus
- Misik, Robert: Alles Ware / Das Kultbuch
- Streeck, Wolfgnag: Die gekaufte Zeit
- Bourdieu, : Ueber das Fernsehen
- Precht: Die Kunst kein Egoist zu sein
- Zeyer, René: Banker und Bankrott
- Suter, Martin: Das Bonus-Prinzip - Kolumnen
- Wagenknecht, Sarah: Kapitalismuskritik
- Balint, Michael: Regression / Primäre Liebe
- Pohlen, Manfred: Eine andere Psychodynamik
- FRANK, Georg: Oekonomie der Aufmerksamkeit
- Binswanger, Matthias: ...
- FRANK, Georg: Mentaler Kapitalismus
- Heinzlmaier: Jugendkultur heute
- Kernberg, Otto F.: Narzissmus (2006)
- Petzold, Hilarion: Drei Baende

LITERATUR zu Narzissmus Individuell:
- Cremerius: Psychotherapie mit Reichen un Mächtigen
- Kernberg (2012). Lindauer Psychotherapiewochen
- Zwiebel, Ralf (2013). Was macht einen guten Psychoanalytiker aus?

zum Inhaltsverzeichnis




SCHIRRMACHER: EGO

In „Ego – Das Spiel des Lebens“ verbindet und vergleicht er „drei große Maschinen, die die Welt bis heute bestimmen: das Militär, den Markt und den Computer“. Neoklassische Ökonomen hätten die Programme für diese Maschinen geschrieben – und „dort angesetzt, wo Menschen am verführbarsten sind: bei der Chance, Profite zu machen. Profite im großen Spiel des Kalten Krieges, Profite im Leben.“ (Thomas Kramar in "Die Presse" vom 15.2.2013)

Schirrmacher-Interview im SPIEGEL 7-2013:
Spieltheorie: "Sie müssten sich als Erstes überlegen, was in diesem Interview mein absolutes egoistisches Eigeninteresse ist. Da ich dieses vor Ihnen zu verbergen suche, dürfen Sie nichts von dem, was ich sage oder tue, als das nehmen, was es zu sein scheint. Alles steht unter dem Vorbehalt der Verstellung, angefangen von der Mimik, die Sie in die Irre leiten soll. Das wäre dann der spieltheoretische Ansatz für unser Gespräch."
ZF: Dieses Buch erzählt davon, wie nach dem Ende des Kalten Kriegs ein neuer Kalter Krieg im Herzen unserer Gesellschaft eröffnet wird. Es ist die Geschichte einer Manipulation: Vor sechzig Jahren wurde von Militärs und Ökonomen das theoretische Model eines Menschen entwickelt. Ein egoistisches Wesen, das nur auf das Erreichen seiner Ziele, auf seinen Vorteil und das Austricksen der anderen bedacht war: ein moderner Homo oeconomicus. Nach seiner Karriere im Kalten Krieg wurde er nicht ausgemustert, sondern eroberte den Alltag des 21. Jahrhunderts. Aktienmärkte werden heute durch ihn gesteuert, Menschen ebenso. Er will in die Köpfe der Menschen eindringen, um Waren und Politik zu verkaufen. Das Modell ist zur selbsterfüllenden Prophezeiung geworden. Der Mensch ist als Träger seiner Entscheidungen abgelöst, das große Spiel des Lebens läuft ohne uns.
Frank Schirrmacher zeichnet in seinem bahnbrechenden neuen Buch die Spur eines monströsen Doppelgängers nach und macht klar, dass die Konsequenzen seines Spiels das Ende der Demokratie sein könnte, wie wir sie heute kennen.

"Die Spieltheorie ist eine Theorie von Konflikt und Kooperation, und zwar eine mathematische Theorie, die es uns gestattet, mathematische Modelle aufzustellen für Situationen, in denen Konflikt und Kooperation eine Rolle spielen. Durch die Analyse dieser Modelle lernen wir, das Verhalten von Menschen, zum Teil auch von Tieren, und Organisationen besser zu verstehen", sagte Selten nach Erhalt des Preises. Gleichzeitig räumt er aber ein, dass die Theorie nur in sehr geringem Maße konkrete "Rezepte" liefern könne. "Die Hauptsache ist, dass man das, was geschieht, besser versteht", so der Nobelpreisträger.

Homo oeconomicus: "John Kells Ingram (1888) wurde zum Rollenmodell der neoklassischen Wirtschaftstheorie, die vom Menschen nur eines zu wissen glaubt: dass er seinen Nutzen zu maximieren trachtet. Sie beschreibt ihn als Egoisten. Dadurch werde er erst zum Egoisten, meint Schirrmacher: „Sie machen den Menschen überhaupt erst zu dem, als den sie ihn beschreiben.“
MF: Die uralte Huhn-Ei-Frage: was war zuerst: die Theorie oder das Phänomen?

Kramar: "Es gibt in der neueren Verhaltensforschung hübsche Experimente, die zeigen: Die Idee von Geld allein, den Versuchspersonen per Video in den Kopf gesetzt, macht sie egoistischer, weniger kooperativ." -> FEHR, FREY, beschrieben in Precht
Thomas Kramar in "Die Presse" vom 15.2.2013:
Kapitalismus und Freie Marktwirtschaft als totalitäres System: "Doch Schirrmacher sieht im Neodarwinismus eine wichtige Hilfswissenschaft für die Durchsetzung der neoliberalen Theorien. Sie halfen ihnen, so Schirrmacher, „das Geschäftsmodell von Egoisten mit den Investment-Strategien von Genen zu begründen“. Schirrmacher meint sogar, „in der Rückschau“ zu erkennen, dass „Das egoistische Gen“, dieses teuflische Buch, „nichts Geringeres als die biologische Grundlegung roboter- und algorithmusgesteuerter Finanzmärkte und Gesellschaften“ sei. Dabei hat Dawkins, beileibe kein Neoliberaler, schon 1976 geschrieben, wir Menschen könnten uns „als einzige Lebewesen auf der Erde gegen die Tyrannei der egoistischen Replikatoren auflehnen“.

Fast scheint es, als ob das Land, das der Geburtsort des Idealismus war [Deutschland], nun mit einem neuen Realismus ein Gegengewicht bilden könnte zu der ,Oekonomie des Geistes‘.“ Die, so Schirrmacher, ansonsten den „öffentlichen Notstand“, die Kapitalisierung des Sozialen vorantreiben werde.

zu Kapitel 2: Narzissmus als gesellschaftliche Realität

Der amerikanische Soziologe Christopher Lasch meint, der Narzissmus sei "die beste Art und Weise, sich den Spannunngen und Aengsten des modernen Lebens gewachsen zu zeigen und die herrschenden gesellschaftlichen Umstände bringen deshalb die narzisstischen Charaktereigenschaften deutlich zum Vorschein, die in unterschiedlichem Grade bei jedem einzelnen anzutreffen sind." (Lasch 1979, S. 74)
Unter einer narzisstischen Gesellschaft versteht Lasch eine "Gesellschaft, die narzisstische Charakterzüge fördert und ihnen zunehmend Bedeutung gibt" (S. 15).
Charakterstörungen sind zum wichtigsten Gebiet der psychiatrischen Pathologie geworden und dass sich, wie daran erkennbar, die Persönlichkeitsstruktur gewandelt hat, hängt mit ganz spezifischen Veränderungen in unserer Gesellschaft und Kultur zusammen: mit der Verbürokratisierung, mit dem Ueberfluss von Eindrücken und Bildern, therapeutischen Ideologien, der Rationalkisierung des Innenlebens, dem Konsumkult und, ion letzter Insatnz mit Wandlungen des Familienlebens und veränderten Sozialisationsmustern.
(...) Als sekundäre Merkmale des Narzissmus könnte man bezeichnen: die Formen scheinbarer Selbsterkenntnis, das berechnende Verführungsgehabe, den nervösen, selbstabschätzigen Humor. (Lasch 1979, S. 53f.)

Es fällt diesem Typus leicht, auf andere Eindruck zu machen; er giert nach Bewunderung, verachtet aber alle, die er dazu bewegen kann, ihm Bewunderung zu zollen; er ist unersättlich in seinem Hunger nach Gefühlserlebnissen, mit denen sich die innere Leere füllen liesse; und er ist geängstigt durch Alter und Tod. (S. 60)

zur Kernberg-Kohut-Kontroverse:
Kernbergs Menschenbild ist eher pessimistisch. Für ihn ist der Mensch immer noch das mühsam kulturell gebändigte aggressive Triebwesen. (Mugerauer 2010, S. 151)
Kohut versteht psychoanalytische Heilung weitgehend analog zu glückender, früher, kindlicher Entwicklung. Kohuts Selbstpsychologie geht davon aus, die Bewegung in Richtung Heilung erfolge der Bewegung analog, "die unter günstigen Umständen in der frühen Entwicklung stattfindet" (Kohut: Wie heilt die PsA 1987, S. 296).

aus: Roland Mugerauer: Narzissmus (2010, 2te Aufl.)

zu Kapitel 7: Décroissance und Kapitalismuskritik: Small is Beautiful, Downsizing - Mässigung, Balance, Toleranz

René Zeyer hat nach seinen Bestsellern «Bank, Banker, Bankrott» und «Zaster und Desaster» wieder zugeschlagen.
Der Journalist («Geo», «FAZ», «Stern», «Blick») weiss als Kommunikationsberater in der Finanzbranche, wie grandios da gelogen wird. Sein neues Buch «Cash oder Crash» ist bei Orell Füssli erschienen.

Das gefährliche Geheimnis des Hebels

KLARTEXT: Autor René Zeyer hilft, die Finanzakrobatik der Euro-Retter auf Deutsch zu übersetzen.

Alle reden derzeit von einer Wunderwaffe gegen die Eurokrise – dem Hebel! Was aber ist dieser neuste finanztechnische Scherzartikel?
René Zeyer erklärt es uns in seiner soeben erschienen Gebrauchsanweisung «Cash oder Crash» so:
Ein finanzieller Hebel funktioniert so – einfach erklärt am Beispiel der Bank «Gier & Söhne». Die verfügt über ein Eigenkapital von 100 Euro und kann sich zum Zinssatz von 0 Prozent bei der staatlichen Notenbank Geld dazuleihen.
Nimmt «Gier & Söhne» nur die 100 eigenen Euro in die Hand und wettet darauf, dass der Kurs des Euro gegenüber dem Schweizer Franken um 3 Prozent sinken wird, dann verdient die Bank an dieser Wette genau 3 Franken, wenn das passiert.
Leiht sie sich hingegen 900 Franken dazu und die Wette geht auf, dann hat sie einen Gewinn von 30 Franken. Das wäre eine Hebelwirkung von 10, im modernen Banking werden gerne Hebel vom Faktor 40 und mehr eingesetzt.
Bei 100 Franken eigenem Geld und geliehenen 3900 Franken steigt der Gewinn auf 120 Franken. Allerdings jubiliert «Gier & Söhne» nur, wenn die Zukunft ihr den Gefallen tut, sich so zu verhalten, wie sie es prognostiziert hat.
Sollte der Eurokurs sich gegenüber dem Franken nicht verändern, wurde ein Nullsummenspiel betrieben. Ist der Euro so gemein, um 3 Prozent zu steigen statt zu sinken, und hat die Bank ein übliches Leverage von 40 eingesetzt, dann muss sie einen Verlust von 120 Franken verbuchen.

Einfacher ausgedrückt: Die Bank ist blank, pleite, bankrott. Wäre «Gier & Söhne» jedoch eine systemrelevante Bank, dann wird dieser Verlust vom Staat übernommen – es zahlen also die Steuerzahler bis zum Sankt Nimmerleinstag. Nur gut, dass Zeyer uns auch Weiteres verrät – in einfachen Worten.
Virtuelles Geld: Ich nehme 100 Taler und leihe die einem von mir selbst hergestellten Klon. Dann bitte ich den Klon, mir die 100 Taler wieder zurückzuleihen. Damit habe ich 200 virtuelle Taler hergestellt, zusätzlich zum real existierenden Geldschein. Diese verwende ich nun als Sicherheit für eine Kreditaufnahme von weiteren realen 100 Talern. Zusätzlich schliesse ich eine Versicherung darauf ab, dass der Kredit über 100 Taler tatsächlich bedient wird. Und so weiter.
Alle Beteiligten wissen dabei, dass es sich hier um eine reine Luftnummer handelt – an der in Form von Gebühren, Kommissionen, Kick-backs Geld verdient werden kann.
Angeschmiert ist nur der Dumme, der reales Geld geliefert hat. Aber der reicht seinen Verlust an den Staat weiter, der ihn mit einer weiteren Luftnummer begleicht.

Am Ende ist der Steuerzahler der Depp. Dem Hebel sei Dank


DICHTUNG UND WAHRHEIT - oder eine kleine Übersetzungshilfe für jedermann:
«Ich habe hier eine persönliche Empfehlung speziell für Sie.»
Ich muss dieses Produkt allen meinen Kunden verkaufen.

«Ich sehe grosses Potenzial.»
Ich sehe überhaupt nichts, aber unsere Analysten behaupten das.

«Ich habe ein auf Sie massgeschneidertes Anlagemodell.»
Ich habe in eine 08/15 Schablone Ihren Namen und Ihre Zahlen eingesetzt.

«Die Börse ist ja etwas volatil.»
Ich habe keine Ahnung, wo die Reise hingeht.

«Wir sollten auch an Steueroptimierung denken.»
Ich will Ihr Schwarzgeld nicht verlieren.

«Ich berate nur, die Entscheidungen müssen Sie treffen.»
Ich lehne jede Verantwortung oder Haftung ab.

«Vertrauen ist der höchste Wert für mich.»
Glücklicherweise hat Vertrauen keinen Wert.

«Ich arbeite nur in Ihrem Interesse.»
Ich arbeite nur für mich und meinen Bonus.

«Haben Sie schon an eine aktive Bewirtschaftung Ihres Vermögens gedacht?»
Unsere Fondsmanager brauchen neues Spielgeld.

«Ich verstehe, dass Sie von der Entwicklung Ihres Portfolios etwas frustriert sind.»
Ihr Gezeter geht mir auf den Keks.

«Wir sollten das objektiv sehen.»
Hören Sie endlich auf, mich anzujammern.

«Sie können mich jederzeit anrufen.»
Bloss nicht!




Pierre Bourdieu: Soziologie als Kampfsport

Seite 9: "Für manchen unswerer Philosophen (und Schriftsteller) ist Sein: im Fernsehen wahrgenommen werden", erklärt er beispielsweise in seinen berühmten Vorträgen "Ueber das Fernsehen". "Der Bildschirm wurde auf diese Weise eine Art Spiegel des Narziss." (ÜdF: 16f.).

Seite 10: Das Fernsehen, das "ein hervorragendes Instrument direkter Demokratie hätte werden können", verwandle sich "in ein Mittel symbolischer Unterdückung" (ÜdF:13).

Seite 13: Das Problem der Uebermittlung: Was geht verloren, wenn man seine Gedanken für die Medien zusammenkürzt? Könnte es womöglich unterkomplex sein, alle Sozialisten und Sozialdemokraten als verkappte Neoliberale zu verteufeln?

Literatur:

Pierre Bourdieu (1998). Ueber das Fernsehen. Suhrkamp, Frankfurt a.M.




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Décroissance und Downsizing: die politische und weltanschauliche Dimension
"Derzeit verzetteln wir uns in einer reizüberfluteten Konsumsphäre, die unsere knappsten Ressourcen aufzehrt, nämlich Zeit und Aufmerksamkeit.
Durch den Abwurf von Wohlstandsballast können wir uns auf das Wesentliche konzentrieren, statt im Hamsterrad der käuflichen Selbstverwirklichung zusehends Schwindelanfälle zu bekommen.
Wenige Dinge intensiver zu nutzen und zu diesem Zweck bestimmte Dinge einfach souverän zu ignorieren, bedeutet weniger Stress und damit Glück." (Niko Paech in der Zeitschrift "Zeitpunkt" 112)

Analog zur individuellen Rückbesinnung auf das Wesentliche im Leben ist auch ein Runterfahren unserer hochtourigen Wirtschaft vonnöten - denn sonst kommen die Individuen immer wieder ins Hamsterrad des "immer mehr" zurück. Nebenbei gesagt ist Sparen und Kürzertreten auch wegen der Umwelt nötig. Hier treffen sich zwei meiner Haupt-Anliegen: der Ökologie-Gedanke und die Suche nach dem wahren Selbst.

"Unsere Welt ist heute mehr als je zuvor eine Welt in der Krise. Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Energiekrise, Klimakrise, Hungerkrise.
Die Folgen davon sind Krieg, Arbeitslosigkeit, Not und Elend.
Die Antwort der politischen und wirtschaftlichen Eliten auf diese Katastrophen ist – mehr vom Gleichen: stärkere Banken, mehr Wirtschaftswachstum, mehr Energieproduktion und -verbrauch, die endgültige Verökonomisierung des Klimas durch CO2- Handel, und Nahrungsmittel als Treibstoffe für Autos. Alle Vorschläge, die uns von den Regierenden als Lösungen präsentiert werden, beruhen auf der Annahme, dass durch eine Zunahme der Produktivität, des Handels, kurz: des Wachstums, sämtliche Probleme gelöst werden.
Die Erfahrung und die Vernunft sagen das Gegenteil. Das Wachstum kann in den Ländern des Nordens nicht die Lösung sein, der Wachstumszwang ist vielmehr das Hauptproblem. Die systemische Verpflichtung zum immer Mehr, immer Grösser, immer Schneller ist der blinde Fleck im Auge der EntscheidungsträgerInnen, der sie daran hindert, neue Ansätze zu verfolgen. Es ist offensichtlich, dass nur eine Ökonomie, welche die Bedürfnisse der Menschen nach Freiheit, sozialer Geborgenheit und einem würdevollen Leben ins Zentrum stellt, einen Beitrag zu einer friedlicheren, besseren Welt leisten kann.
Dass trotzdem das Wirtschaftswachstum das allererste Kriterium ist, das sämtlichen Regierungsprogrammen zugrunde liegt, kommt daher, dass das kapitalistische System mit seinen Macht- und Besitzverhältnissen zwingend auf Wachstum angewiesen ist. Dies spricht aber nicht für die Vernünftigkeit des Wachstumsdogmas, sondern vielmehr für die Notwendigkeit, den Kapitalismus ein für allemal zu überwinden und eine solidarische, selbstverwaltete, wirklich nachhaltige Ökonomie und Gesellschaft an seiner Stelle aufzubauen." (Philipp Zimmermann im Editorial "Decroissance - Die Mutmacherin").

"Die Katastrophe ist nämlich nicht unvermeidlich. Homo sapiens ist nicht am Ende, wohl aber Homo oeconomicus. Die soziale und ökologische Verelendung der Menschheit ist nicht in der Evolution festgeschrieben.
Unbegrenzter Reichtum ist kein Menschenrecht, so wenig wie unbegrenzter Individualismus. Lebensfreude und Verzicht lassen sich vereinbaren. Ein Ausweg aus unserer Zivilisationskrise ist möglich.
Wir können ihn finden, wenn wir den Mut haben, uns vom Wachstumsdogma zu verabschieden. (Ernst Schmitter in "Decroissance - Die Mutmacherin")

"Selbstbegrenzung ist ein Gegenbegriff zur Masslosigkeit, die unsere Gesellschaft in vielen Bereichen prägt. Anstelle der Bewegung zu «immer mehr, besser, grösser, schneller, reicher», die als vorbildlich gilt, wirbt Décroissance für «gut, zufrieden, massvoll, bescheiden, solidarisch»." (Decroissance - Die Mutmacherin).

Kapitalismuskritik:
Nach Lektüre von Dutzenden Büchern und Hunderten von Zeitungsartikeln zum Thema Finanz- und Wirtschaftskrise fassen die folgenden Regeln aus Ulrich Schäfers ausgezeichnetem Buch "Der Crash des Kapitalismus" das Thema sehr gut zusammen:

Regel 1: Der Staat darf Banken nur dann herauskaufen, wenn er diese anschließend einer schärferen Regulierung unterwirft.
Wenn Regierungen und Notenbanken sich auf eine Rettungsaktion einlassen, dürfen sie dies unter einer Bedingung tun: Sie müssen dafür von den Geretteten eine Gegenleistung verlangen. Der Staat macht sich angreifbar, wenn er die Verluste der Finanzindustrie sozialisiert. Deshalb darf er es nicht zulassen, dass die Geldmanager ihre Gewinne auf Kosten der übrigen Wirtschaft wieder privatisieren, wenn die Krise überwunden ist. Banken und Fonds müssen einer scharfen Kontrolle unterworfen werden, damit sich die Exzesse der letzten 15 Jahre nicht wiederholen.

Regel 2: Das Schatten-Bankensystem muss zerstört werden.
Die Banken haben das Schattenreich geschaffen, um der Regulierung auszuweichen. Sie haben Kredite in obskure Gesellschaften ausgelagert, um die Reservevorschriften ihrer Heimatländer zu unterlaufen. Das alte internationale Regelwerk für Banken, genannt Basel I, hat diesen Prozess noch beschleunigt: Es verlangt, dass die Banken für jeden Kredit, den sie in ihren Büchern haben, als Puffer eigenes Kapital von 8 Prozent bereithalten müssen – aber eben nur für Kredite, die in den Büchern stehen.
Dies veranlasste gewiefte Banker, die Kredite in Gesellschaften auszulagern, für die das Regelwerk nicht gilt. Das neue Regelwerk für Banken namens Basel II, das in Europa und Asien seit Anfang 2008 gilt, bisher aber nicht in den USA, versucht, das Problem zu lösen: Die Banken müssen für einen Teil der ausgelagerten Kredite einen Puffer bilden – jedoch nur für einen sehr geringen Teil. Sie werden also weiter versuchen, Kredite und Risiken auszulagern und ihre Bilanzen zu schönen. Wenn die Politik dies verhindern will, hilft nur eines: Die Regierungen müssen den Banken das Geschäft außerhalb der Bilanz verbieten. Das Mittel hierzu ist einfach:
Für alle Kredite, egal wo sie verbucht werden, müssen die Banken die gleichen Reserven vorhalten. Die Regel muss von allen Industrienationen und Schwellenländern akzeptiert werden. Auch von den USA.

Regel 3: Hedgefonds brauchen eine scharfe Kontrolle.
Anhänger des ungezügelten Kapitalismus behaupteten bis zum Oktober 2008 gern, dass die Krise jene Fonds verschont habe, die als besonders gefährlich galten: die Hedgefonds. Dies stimmt nicht. Tatsächlich stand am Anfang im Juni 2007 der Zusammenbruch der beiden Hedgefonds von Bear Stearns. Weitere Hedgefonds folgten. Ein Jahr später sind viele Zockerklubs in Not und treiben mit dem Verkauf von riesigen Wertpapierbeständen die Börsen nach unten. Sie haben sich gewaltige Schulden aufgeladen, mit denen sie die Gewinne nach oben getrieben haben; im Abschwung werden die Kredite zur Last. Seit dem Kollaps von LTCM 1998 sind alle Versuche gescheitert, die Fonds einer stärkeren Kontrolle zu unterwerfen oder einem freiwilligen Verhaltenskodex. Dies gilt auch für den Versuch der Bundesregierung während ihrer G7-Präsidentschaft 2007. Amerikaner und Briten, die erbittert Widerstand geleistet haben, räumen insgeheim ein, dass dies ein Fehler war. Das Problem dabei: Hedgefonds haben ihren juristischen Sitz in Steueroasen, in denen sich keine Behörde für sie interessiert. Ihre Geschäfte betreiben die Manager dagegen von London oder New York aus. Wer die Fonds kontrollieren will, muss deshalb deren Manager beaufsichtigen, so wie es eine Gesetzesinitiative des Europäischen Parlaments vorsieht. Ohne besondere Zulassung und regelmäßige Reports sollte kein Hedgefondsmanager sein Spiel treiben dürfen.

Regel 4: Besonders riskante Finanzprodukte müssen verboten werden.
Wer ein Finanzinstrument erfindet, kann dieses am nächsten Tag seinen Kunden anbieten. Wer ein Derivat kreiert, muss dies nirgends anmelden, bei keinem Aufsichtsgremium. Er kann es einfach verkaufen. Die Anhänger freier Märkte behaupten, die Märkte würden sich selbst regulieren und schlechte Produkte aussortieren. Tatsächlich geschieht dies nicht. Banken und Fonds haben »Giftmüll« in Billionenhöhe auf den Markt geworfen und den Eindruck erweckt, dass man aus großen Mengen zweifelhafter Anlagen durch bestimmte Konstruktionen wertvolle Papiere machen kann. Niemand fühlte sich zuständig. Wenn der Markt nicht in der Lage ist, die Verantwortung zu übernehmen, muss der Staat dies tun. Er sollte verlangen, dass die Finanzkonzerne sämtliche Instrumente, die sie erfinden, zulassen müssen – so wie es Pharmaunternehmen mit Medikamenten auch machen. Eine staatliche Behörde sollte die Instrumente prüfen und testen, ehe die Banken sie verkaufen dürfen. Sind die Instrumente zu gefährlich, muss die Behörde sie verbieten. Die amerikanischen Nobelpreisträger David McFadden und Joseph Stiglitz fordern solch eine Zulassungsbehörde, ebenso der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn und Altkanzler Helmut Schmidt. Zudem sollte der Staat dafür sorgen, dass Derivate nur an der Börse gehandelt werden, also an einem öffentlichen Marktplatz. Derzeit werden 84 Prozent aller Derivate außerhalb der Börse verkauft, weshalb niemand den Markt durchschaut. Die Preise werden freihändig festgelegt.

Regel 5: Die Ratingagenturen müssen zerlegt werden.
Die drei großen Agenturen haben mit ihren Noten den Anlegern das Gefühl gegeben, dass sich Risiken wegzaubern lassen. Sie haben Kreditpakete mit besten Bewertungen versehen, obwohl diese Bündel vollgestopft waren mit Darlehen minderer Qualität. Die Agenturen haben die Banken, die sie für ihre Notengebung bezahlt haben, zugleich beraten, wie sie die Kreditbündel namens MBS oder CDO schnüren. Sie haben sich wie ein Mathematiklehrer verhalten, der seinen Schülern bei der Klassenarbeit hilft – und hinterher wundern sich alle, dass die Schüler nicht rechnen können. Die Aufsichtsbehörden sollten die Agenturen daher aufspalten: in einen Teil, der sich um das Rating kümmert, und in einen anderen, der die Banken berät. Die Ratingagenturen und ihre Auftraggeber müssen zudem alle Informationen offenlegen, die für ein Rating erforderlich sind. Dann kann jederzeit eine andere Agentur die Noten überprüfen und eigene, abweichende Bewertungen veröffentlichen.

Regel 6: Die Gehälter der Banker müssen begrenzt werden.
Wer als Investmentbanker arbeitet, profitiert immer: Steigt der Gewinn, wachsen die Gehälter ins Unermessliche und die Boni auf 20, 30 oder gar 40 Millionen Euro. In schlechten Jahren müssen sie nichts zurückzahlen und erhalten weiter ihr Grundgehalt. Investmentbanker versuchen deshalb, in kürzester Zeit so viel wie möglich herauszuholen – und gehen dazu oft übermäßige Risiken ein.
Aufsichtsbehörden und Finanzminister fordern darum, dass die Banken ihre Vergütungssysteme ändern. Der internationale Bankenverband IIF verspricht, dass die Institute selbst dafür sorgen wollen. Sie sollten dies auch tatsächlich tun und die Spitzengehälter kräftig kürzen, andernfalls müsste der Staat eine Gehaltsgrenze für Banker vorgeben. Denn Banken erfüllen eine öffentliche Aufgabe: Sie versorgen die Wirtschaft mit Geld, ebenso wie Notenbanken. Und auch für Notenbanker legt der Staat das Gehalt fest.

Regel 7: Die Finanzmärkte brauchen eine globale Aufsicht.
Derzeit kümmern sich in jedem Industrieland mehrere Behörden um die Finanzmärkte. Jedes Land organisiert die Aufsicht zudem auf seine Weise. Auch auf internationaler Ebene gibt es eine Vielzahl von Organisationen, die sich als Aufseher verstehen: vom Forum für Finanzstabilität über die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und die G7 bis hin zum Internationalen Währungsfonds. Was fehlt, ist eine machtvolle Organisation, die alle Aufgaben bündelt – ein »globaler Sheriff für die Finanzmärkte«, wie es George Soros nennt. Man muss dazu keine Behörde schaffen, man kann den Sheriffstern dem IWF anheften und diesen mit weitreichenden Kompetenzen ausstatten. Den Finanzkonzernen wird all dies nicht passen. Sie werden jeden Versuch torpedieren, die Regeln zu verschärfen. Sie werden die Gesetze, die die Politik durchsetzen will, durch allerlei Sonderklauseln aushebeln wollen. Denn der Gewinn der Geldindustrie wird in einem regulierten Finanzsystem geringer ausfallen als in einem unregulierten. Doch die Politik muss standhaft sein, sie muss sich den Lobbyisten widersetzen. Denn ein stabileres Finanzsystem nützt allen. Es hat einen Wert an sich, weil es Verwüstungen im Rest der Wirtschaft verhindert. Der Staat darf sich daher mit einer Selbstverpflichtung der Finanzbranche nicht zufriedengegeben. Schließlich überlässt es der Staat ja auch nicht einer Runde von Bankräubern, im Strafgesetzbuch die Höchststrafe für einen Bankraub festzulegen. Zudem sollte der Staat nicht nur vor der eigenen Haustür für Ordnung sorgen. Wer die Finanzmärkte bändigen will, muss sich auch jene Länder vorknöpfen, die die Regeln der anderen unterlaufen und dadurch Anleger und Finanzkonzerne anlocken: die Steuerparadiese.




"Décroissance bedeutet Kampf gegen die Wirtschafts- und Finanzdiktatur. Deshalb ist die Bewegung gegen die so genannte freie Marktwirtschaft, also letztlich gegen den Kapitalismus. Es geht ihr aber nicht nur um die Ueberwindung eines Wirtschaftssystems, das auf dem Privateigentum an den Produktionsmitteln beruht. Es geht ihr um die Überwindung des Denkens in bloss ökonomischen Kategorien und des Handelns nach bloss ökonomischen Kriterien. Es geht ihr um die Ueberwindung des Machtstrebens, das untrennbar zum ökonomischen Denken gehört. Das bedeutet einen Mentalitäts- und Gesellschaftswandel, der schon vor – und natürlich auch nach – dem Uebergang in ein postkapitalistisches System wirken kann. Deshalb lautet die ganze Antwort:
Décroissance ist zwar antikapitalistisch. Sie ist aber nicht nur sinnvoll im Hinblick auf eine künftige – und ungewisse – Ueberwindung des Kapitalismus, sondern auch als Mentalitätswandel innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft. Die Radikalität des Décroissance-Gedankens lässt vermuten, dass eine Vereinnahmung der Bewegung durch den Kapitalismus weniger leicht ist, als dies bei früheren alternativen Bewegungen der Fall war, zum Beispiel bei den Achtundsechzigern oder den Grünen.
Die Begriffe und Werte, mit denen diese Bewegungen arbeiteten (Freiheit, Autonomie, Schonung der Umwelt usw.), lassen sich leicht im Interesse des Kapitalismus uminterpretieren. Das dürfte bei den Grundwerten der Décroissance schwieriger sein. Abgesehen von ihren ungewissen Erfolgsaussichten, ist sie deshalb ein Störfaktor für das Funktionieren des Kapitalismus." (Decroissance - Die Mutmacherin).

Mainzer-Thesen, These 5: Das Gesundschrumpfen der Wirtschaft und die deutliche Verringerung des Konsums sind mindestens in den reichen Ländern unvermeidlich.
Eine Ökonomie, die zu deutlichem „Gesundschrumpfen“ gezwungen sein wird, um letztendlich einen nachhaltigen Gleichgewichtszustand zu erreichen, stellt Wirtschaftssystem und Politik vor nie gekannte Herausforderungen. Dieser Wandel der Ökonomie wird politisch nur dann durchsetzbar sein, wenn Reichtum umverteilt und soziale Gerechtigkeit hergestellt wird.

Bereits ein Blick auf die Müllhalden der Welt zeigt, dass wir derzeit eine reine Verschwendungs-Wirtschaft, zelebrieren, die zwingend zum globalen Kollaps führen muss.
Durch die drohenden Ressourcen-Engpässe werden wir wahrscheinlich schon in den nächsten Dekaden gezwungen werden, mit deutlich weniger Energie- und Rohstoff-Verbrauch auszukommen als bisher. Das bedeutet ein deutliches Schrumpfen der Real-Ökonomie und damit des materiell definierten Lebensstandards gegenüber dem heutigen Niveau, - zumindest in der „Ersten Welt“. Eine schrumpfende Ökonomie wird keine Spielräume mehr haben, wie in der Vergangenheit soziale Benachteiligung über ein höheres Wirtschaftswachstum auszugleichen und soziale Konflikte zu entschärfen Im Gegenteil, jede Verringerung des Konsums verstärkt die Bedeutung der Verteilungsfrage: Wer darf wie viel in Anspruch nehmen und warum? Daraus ergibt sich, dass wirksame Begrenzung nur mit einer als gerecht empfundenen Verteilung gelingt. Falls diese gerechte Verteilung nicht gelingt, dann werden sich die sozialen Kämpfe in einer kaum vorstellbaren Weise zuspitzen.
In unserem Wirtschaftssystem haben sich inzwischen wenige, transnationale Unternehmen die Energie- und Rohstoff-Ressourcen gesichert; die Verteilung wird über den Markt bestimmt.
Es stellt sich nun die Frage: Kann ein allein vom Markt geprägtes Wirtschaftssystem eine gerecht empfundene Verteilung sichern?
Wir stehen wahrscheinlich vor folgenden Alternativen: Eine gegen die Bevölkerungsmehrheit durchgesetzte post-kapitalistische Raubtier-Ökonomie in einer „re-feudalisierten“ Gesellschaft („Barbarei“) oder ein halbwegs geordnetes Schrumpfen durch volkswirtschaftliche Pläne bei starker Zurücknahme des Rechts Einzelner, sich natürliche und gesellschaftliche Ressourcen privat unbegrenzt anzueignen.


Literatur zu Décroissance und Kapitalismuskritik (kleiner Auszug):

Nouriel Roubini - Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
Die wohl beste Faktensammlung über die Weltwirtschaftskrisen 2008/2011
Paul Krugman - Die neue Weltwirtschaftskrise
Der sympathische Nobelpreisträger erklärt uns leicht verständlich die aktuelle Weltlage
Tim Jackson - Wohlstand ohne Wachstum
Das scheinbar Unmögliche möglich gemacht !
Christian Felber - Die Gemeinwohl-Oekonomie
Das Wirtschaftsmodell der Zukunft
Robert Kurz - Schwarzbuch Kapitalismus
Der Klassiker zur Kapitalismukritik - aktueller denn je!


Hans-Christoph Binswanger - Vorwärts zur Mässigung: Perspektiven einer nachhaltigen Wirtschaft
DER linke Schweizer Oekonomie-Professor mit der Quintessenz seines langen Forscherlebens
Urs P. Gasche, Hanspeter Guggenbühl - Schluss mit dem Wachstumswahn
Das überzeugende Schweizer "Plädoyer für eine Umkehr"
Seidl / Zahrndt (Hrsg.) - Postwachstumsgesellschaft
Sehr gute Einführung in die komplexe Thematik der sog. Décroissance
Robert Misik - Alles Ware
Konsumkritik vom Feinsten
Robert Misik - Genial dagegen
Kritisches Denken von Marx bis Michael Moore


  • Binswanger, Hans Christoph (2009). Vorwärts zur Mässigung. Murmann Verlag, Hamburg. ISBN 978-3-86774-072-2
  • Knolle, Helmut (2010). Und erlöse uns von dem Wachstum, Verlag Pahl-Rugenstein, Bonn.
  • Gasche, Urs P., Guggenbühl, Hanspeter (2010). Schluss mit dem Wachstumswahn – Plädoyer für eine Umkehr, Rüegger Verlag, Zürich.
  • Seidl, Irmi und Zahrnt, Angelika (2010). Postwachstumsgesellschaft – Konzepte für die Zukunft, Metropolis Verlag, Marburg. ISBN 978-3-89518-811-4.
  • Staud, Toralf (2009). Grün, grün, grün ist alles, was wir kaufen – Lügen, bis das Image stimmt, Kiepenheuer und Witsch, Köln. ISBN 978-3-462-04106-4.



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    zum Inhaltsverzeichnis

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    Markus Frauchiger - Emotionstheorien und ihre Relevanz für die Psychotherapie

    I. Von William James bis Leslie Greenberg II. Von der Amygdala zu den Spiegelneuronen III. Psychologie und Neuroscience IV. Was haben Emotionen mit Psychotherapie und Supervision zu tun ? V. Ein Integratives Weltbild

    "der Versuch, emotionale Phänomene von der klassischen Psychologie und der modernen Hirnforschung aus zu erklären"

    Seminararbeit VU Amsterdam Nachdiplomstudium Supervision
    < Markus Frauchiger, CH-3097 Liebefeld bei Bern


    Ich möchte den Themenkomplex "Emotionen, woher, wohin ?" in vier Teilen angehen.
    Als erstes stelle ich die klassischen Emotionstheorien vor, so wie sie v.a. aus der kognitiv-behavioralen Forschungstradition der universitären Psychologie hervorgegangen sind. Hier gehe ich insbesondere auf das integrative Modell von Leventhal ein. In einem zweiten Teil versuche ich, die aktuelle neurowissenschaftliche Forschung in Bezug auf den Erkenntnisgewinn "Emotion und Gehirn" zusammenzufassen. Hier spielen v.a. LeDoux und Rizzolatti eine grosse Rolle.
    Als drittes steht eine Synthese an, soweit sie denn möglich ist zwischen Psychologie und Neuroscience mit der Hypothese, dass die neueren neurowissenschaftlichen Erkenntnisse endlich ein Fundament erschaffen haben, auf dem es möglich ist, die bisherigen psychologisch-empirischen Theorien abzustützen und, falls nötig, zu modifizieren. Hier versuche ich aufzuzeigen, dass Leventhal und Petzold auch ohne Neuroscience gar nicht so falsch lagen ...
    Ein vierter Teil soll anhand der beiden angewandten Wissenschaften Psychotherapie und Supervision aufzeigen, wie Emotionen in die tägliche Arbeit besser und v.a. häufiger einbezogen werden können. Der Ansatz von Leslie Greenberg et al. soll stellvertretend für andere Therapietheorien erläutert werden.

    I. Psychologische Emotionstheorien

    Definitionen und Zitate: "Emotionen sind Reaktionsmuster, welche durch spezifische Personen oder Objekte (real oder imaginiert) ausgelöst werden; gewöhnlich werden Emotionen als Gefühle erlebt (...). Wortfelderhebungen belegen, dass unsere Sprache mehr als 400 Emotionsworte unterscheidet." "Emotionen sind Reaktionsmuster auf aulsösende Ereignisse, welche den Organismus darauf vorbereiten, möglichst effektiv in einem bestimmten Kontext zu handeln. Die emotionsbegleitenden körperlichen Veränderungen haben daher handlungsvorbereitende Funktion. Der Emotionsausdruck dient der Kommunikationd der Gefühlszustände" (Hamm in Karnath/Thier 2003). 1.1. Historische Entwicklungen in der Emotionspsychologie (Anmerkung: Ich beziehe mich im folgenden mehrheitlich auf eine ausgezeichnete Uebersicht, wie sie von Theo Schelp und Lilly Kemmler 1988 unter dem Titel "Emotion und Psychotherapie" veröffentlicht wurde, S. 45 - 49.) 1.1.1. William James: Historisch gesehen war William James der erste, welcher eine Theorie der Emotionsentstehung entwickelte: "Für die Gruppe der peripheren Emotionstheorien, die den Reaktionen des autonomen Nervensystems entscheidende Bedeutung für die Entstehung von Emotionen zumessen, steht die Theorie von W. James. Ihr Kernpunkt lautet: "Meine Theorie ... ist, dass die Wahrnehmung des erregenden Faktums die körperlichen Veränderungen direkt folgen, und dass unsere Empfindungen dieser Veränderungen, während sie stattfinden, die Emotion ist" (James 1890; 1962, S. 11). "James selbst räumt ein, daß seine Theorie dem Alltagsverständnis zuwiderläuft. Diesem zufolge würden wir, wenn wir beispielsweise einem Bären begegnen, durch irgendeinen Vermittlungsvorgang Furcht empfinden, zu zittern beginnen und da¬vonlaufen. Nach der Theorie von James ist der Ablauf aber umgekehrt: Wir fürch¬ten uns, weil wir den Bären wahrnehmen. zittern beginnen und davonlaufen (Schelp, Kemmler 1988, 45). Die Sequenz-Kontroverse (aus: Le Doux (19....). Netz der Gefühle, Kap.3) William James, 1884 definierte Emotion als „Reihe von Vorgängen, die mit dem Auftreten eines erregenden Reizes beginnt und mit einem Gefühl, dem bewußten emotionalen Erlebnis endet“ James´ These war, daß „die körperliche Veränderung unmittelbar der Wahrnehmung der erregenden Tatsache (dem Reiz) folgen, und daß das Empfinden dieser Veränderung die Emotion ist“ [keine körperlosen Emotionen!] Die physiologischen Reaktionen (somatische und viscerale) werden vom Menschen genauso interpretiert wie externe Informationen; jede Emotion hat ein spezifisches vegetatives und physiologisches Reaktionsmuster das dem Gehirn gemeldet wird, deshalb kommen verschiedene Emotionen zustande. REIZ REAKTION FEEDBACK EMOTION 1.1.2. Walter Cannon: Diese Theorie ist von Cannon (1927) einer umfassenden Kritik unterzogen worden. Aus dieser Kritik heräus formulierte er eine Gegenposition, die als erste kortikale Theorie der Emotionsentstehung zu betrachten ist. Danach ist es nicht die Rückmel¬dung peripherer physiologischer Veränderungen des autonomen Nervensystems, die zu emotionalem Erleben führt, sondern die dem Kortex rückgemeldete Erregung thalamischer Prozesse. Die Wahrnehmung eines Reizes wird über den T¬halamus/Hypothalamus an den Kortex geleitet und führt dort zu einer «einfachen Emp¬findung». Der Kortex enthemmt den Thalamus, wodurch es zum «Ausströmen» thalamisch hypothalamischer Impulse sowohl zentrifugal auf die Viszera und Ske¬lettmuskeln kommt (emotionales Verhalten) als auch zentripetal zum Rückstrom von Impulsen zum Kortex, der im Zusammenwirken mit der einfachen Empfindung des Reizes zum Erleben einer emotionalen Empfindung führt: Walter Cannon, 1929 (aus: LeDoux, Kap. 3) - „Konzept der Notfallreaktion“: In einer Notsituation wird der Blutstrom über das ANS zu den Körperteilen geleitet, so daß die Energie zu den notwendigen Stellen kommt. Adaptive Reaktion durch Erwartung („Kampf-oder-Flucht-Reaktion“, nur viscerale Reaktion)) . - Annahme, daß der sympathische Teil des ANS immer die gleichen physiologischen Reaktionsmuster (damaliger Wissensstand) verursacht, zudem stellte er fest, daß die visceralen Reaktionen (nicht die somatischen, die er nicht beachtete), so daß James´ Theorie des spezifischen Feedbacks nicht zutreffen konnte. Das Feedback war seiner Meinung nur für Intensität und charakteristische Dringlichkeit verantwortlich, die Emotion entsteht im Gehirn. Kognition und Emotion Schachter & Singer, 1962 – kognitive Interpretation - gingen auch von der Wichtigkeit körperlicher Reaktionen aus und versuchten, daß Problem der Unspezifität des ANS durch kognitive Interpretation (Kontext, Wissen, sog. Attributionen) zu lösen. - Daraus folgt, daß bei gleicher körperlicher Erregung in unterschiedlichen Situationen (Kontext) andere Emotionen empfunden werden sollten. Durch Injektion von Adrenalin und Gestaltung der Situation (angenehm, unangenehm, neutral) wurde die These überprüft: in verschiedenen Umgebungen ergaben sich (bei gleichem physiologischen Erregungsniveau) unterschiedliche Gefühle, die Intensität war aber abhängig vom Erregungsniveau. REIZ ERREGUNG KOGNITION EMOTION (a) Physiologische Erregung tritt auf; (b) Das Individuum nimmt diese Erregung war: (c) Das Individuum spürt ein Bedürfnis, eine Erklärung oder Ursache für die Erregung zu finden; (d) Eine externale Ursache wird identifiziert, und die internale Reaktion wird „ettikitiert“. Diese „Ettikitierung“ verleiht dem Gefühlszustand seine Qualität. Schachter & Singer vertraten einen attributionstheoretischen Ansatz der Emotionsforschung (Punkte c und d), in dem die physiologische Erregung, ausgelöst durch internale oder externale Reize, von dem kognitiven Prozeß der Attribuierung gefolgt wird. - Valins (1966) täuschte den Vpn die körperlichen Erregungsmuster vor (angebliche Herz-frequenz, die er manipulieren konnte) und konnte zeigen, daß mit dieser Reaktion assoziierte Bilder später präferiert wurden. Daraus folgerte er, daß Emotionen kognitiv repräsentiert sein müssen, um zur Emotion beizutragen, zudem wurde dadurch die Annahme von Schachter und Singer in Frage gestellt, daß die physiologische Erregung für Emotionen notwendig sei. Zudem stellte er oft eine retrospektive Attribuierung der Präferenzen fest, „sie versuchten, die Rückmeldung zu rechtfertigen“. (Weiner, S.250) - Schachter/Singer: Als dritte Haupt¬strömung in der Theoriebildung über Emotionen kann die große Gruppe der «Kog¬nition x Erreung»-Theorien angesehen werden, als deren bedeutendster Vertreter Schachter (z.B. 1964) gilt. In dem berühmten, dieser Theorie zugrundeliegenden Experiment von Schachter und Singer (1962) wurde angenommen, daß emotionales Erleben und Verhalten eine Funktion des Zusammenwirkens einer kognitiven Inter¬pretation der Situation mit einem Zustand unerklärter autonomer Erregung sei. Aus dieser Grundannahme wurden folgende Hypothesen entwickelt: 1.) Bei einem «unerklärlichen» Zustand physiologischer Erregung wird ein Individuum in Abhängigkeit von den verfügbaren Kognitionen diesen Zustand jeweils unterschiedlich «etikettieren» und seine Empfindungen entsprechend beschreiben. 2.) Ein «Bewertungsbedürfnis» und damit eine emotionale Etikettierung entsteht nicht, wenn das Individuum sich selbst den physiologischen Zustand angemessen erklären kann. 3.) Sowohl die physiologische Erregung als auch Kognitionen über die erregende Situation sind zum Erleben der Emotion notwendige Bestandteile. Obwohl die experimentellen Daten letztlich nicht eindeutige Ergebnisse lieferten (vgl. Reisenzein, 1983), bleiben als zwar nicht unumstrittene, aber doch für eine integrative Emotionstheorie zu berücksichtigende Resultate festzuhalten: Es muß angenommen werden, daß die wahrgenommene physioloische Erregung für ver¬schiedene Emotionen eine notwendige, zumindest jedoch eine förderliche Bedin¬gung für deren Entstehung ist. Weiter ist offenkundig, daß die Qualität des emotio¬nalen Erlebens (das heißt welche Emotion erlebt wird), mit der Bedeutung zusam¬menhängt, die die «auslösende» Situation für das Individuum hat. Dies schließlich heißt, daß das Individuum im Laufe seiner kognitiven und emotionalen Entwick¬lung Differenzierungsvorgängen unterliegt, in denen sich ein Bedeutungs und ein Emotionsrepertoire entwickeln kann: - Leventhal (aus: Schelp, Kemmler, S. 49) Leventhals Prozeßmodell der Emotionen vereinigt die drei hier kurz vorgestellten Theoriegruppen in den jeweils wichtigsten Gesichtspunkten. In der Darstellung seiner Theorie geht Leventhal (1982) davon aus, daß das zentrale Kennzeichen von Emotionen das subjektive Erleben emotionaler Zustände ist, die eine Bedeutung für das Individuum haben. Beispielsweise heißt Furcht für ihn, daß der Organismus bereit zur Flucht ist, angesichts einer Gefahr, deren Überwindung für das Individuum zweifelhaft erscheint. Emotionen geben dem Individuum also Auskunft über seinen eigenen Zustand, sowohl auf der organismischen Ebene als auch auf der Ebene der Bedeutung. Bedeutung ist für Leventhal der zentrale Begriffsinhalt des Konstruktes Kognition. Er unterscheidet hier Wahrnehmungskognitionen und abstrakt begriffliche Kognitionen, die beide für ein Individuum mit Bedeutungen versehen sind. Die Kernaussage von Leventhals Theorie ist nun, daß Emotionen sich sowohl mit sensorisch perzeptiven Wahrnehmungskognitionen als auch mit willkürlich aktivierbaren (engl.: "volitional"), abstrakten Begriffskognitionen verbinden und mit ihnen interagieren können. Er nimmt jedoch an, daß sich Emotionen schneller und dauerhafter mit Wahrnehmungskognitionen verbinden, die auf konkreten Wahrnehmungen und Empfindungen beruhen. Solche Emotions Kognitions-Verbindungen bezeichnet Leventhal in Uebereinstimung mit den meisten kognitiven Psychologen als Schemata. Diese können wie folgt definiert werden: Schemata stellen verallgemeinerte, im Gedächtnis repräsentierte Objekte oder Vorgänge dar, die, wenn sie aktiviert werden, einen Evaluationsprozeß in Gang setzen: Informationen werden daraufhin geprüft, ob sie mit dem aktivierten Schema vereinbar sind oder nicht. Wenn nicht, wird das Schema verworfen und ein anderes aktiviert. Schemata vertragen eine bestimmte Unbestimmtheit, d.h. sie sind offen auch für nicht schon im Schema enthaltene Informationen. Diese «Leerstellen» können auch durch weitere Schemata ausgefüllt werden, so daß mehrere Schemata eine hierarchische Struktur bilden. (Lantermann, 1983, S. 258) An der Entstehung von Emotionen sind nach Leventhals Auffassung drei unterscheidbare Mechanismen beteiligt, die mit Schemata verschiedener Hierarchiestufen operieren: 1.) Sensorische Impulse des eigenen Gesichtsausdrucks führen spontan über Vor¬wärtsmeldung, (engl.: "feed forward") zu wenigen primären Gefühlen (Inter¬esse, Überraschung, Freude, Furcht, Trauer, Ärger, Ekel, Verachtung; vgl. die Grundemotionen von Izard, 1977). Leventhal betrachtet die diesen Ausdrucksformen zugrundeliegenden Gedächtnisrepräsentationen als weitgehend angeborene, automatisch aktivierte Ausgangsbasis des emotionalen Erlebens überhaupt. 2.) Aktivierung konkreter emotionaler Schemata, die auf die Wahrnehmung selektiv wirken, handlungsleitend sind und zu den strukturierten, ganzheitlichen Erfahrungen emotionalen Erlebens führen. Dieser emotionale Entstehungsmechanismus unterliegt in begrenztem Rahmen dem bewußten, willentlichen Einwirken des Individuums (z.B. können durch Imagination emotionale Erfahrungen aktiviert werden). 3.) Das abstrahierend begriffliche Emotionssystem schließlich erlaubt es einem Individuum, über seine Emotionen nachzudenken, sie zu klassifizieren, über sie zu sprechen und Schlußfolgerungen über Ursachen (Kausalattributionen) und Konsequenzen (Erwartungen und Bewertungen) zu ziehen. Dieses System ist weitgehend der willentlichen Kontrolle zugänglich und eröffnet die Möglichkeit der therapeutischen Beeinflussung von Emotionen. Leventhal (1982) geht davon aus, daß alle drei Mechanismen bei der Entstehung von Emotionen miteinander zusammenwirken und durch Vorwärts und Rückwärtsmeldungen dynamisch miteinander verbunden sind: Leventhal/Scherer Definition von "Emotion" (sensu Leventhal 1984): "Eine komplexe Synthese von a) expressiv-motorischen, b) schematisch-kognitiven und c) konzeptuell-begrifflichen (abstrakten) Informationen. Diese versorgt einen Organismus mit Informationen (Hinweisen) zu Reaktionen auf Situationen. Dies erlaubt dem Menschen, sich in einer adaptiven ("angepassten") Weise in der Umgebung zu orientieren". Eine "konstruktive" Theorie emotionaler Prozesse Folgende Autoren postulieren sog. "primäre Emotionen", welche in Gestik und Mimik kulturübergreifend gleich sind. Sie sind reflexhafte, unmittelbare Antworten auf die Umwelt (Zajonc 1980). Diese dienen dem biologischen und psychischen Wohlbefinden und Ueberleben: ANGST, FURCHT, TRAUER, UEBERRASCHUNG, EKEL und FREUDE (Ekman/Friesen 1975, Izard 1977). Mischformen davon ergeben eine Vielzahl weiterer Emotionen, wie z.B. LIEBE, STOLZ, NEID, HASS etc., bei welchen kognitive und motivationale Komponenten hinzukommen (Leventhal 1984). Gemäss Leventhal werden emotionale Erfahrungen in Gedächtnis-Strukturen codiert, welche motorische, schematische und konzeptuelle (siehe Definition oben) Komponenten enthalten. Wenn später eine Situation diesem gespeicherten "Prototyp" entspricht, wird der ganze Komplex automatisch und unwillkürlich aktiviert und ausgeführt. Dies erklärt die (scheinbare) Unmöglichkeit, solche emotionalen Zustände bewusst zu stoppen; dies gilt z.B. für das Sich-Verlieben ebenso wie für eine Panikattacke ... - Schelp/Kemmler - Petzold - - Lazarus' kognitiv-motivationale-relationale Theorie der Emotionen Aus: Litscher, Maya, in: Dick, Andreas. Uni-Skript 1996, S. 18 - 23, v.a. Tabelle 1 !!! Kernbeziehungsthemen Um die enge Verbindung zwischen Umwelt und Individuum hervorzuheben, hebt Lazarus deren separate Identitäten auf zugunsten von Einzelbeziehungen mit jeweils speziellen Bedeutungen, den sogenannten "Kernbeziehungsthemen" (core relational themes). Er nimmt an, dass im Verlauf des Lebens alle Menschen, unabhängig von einer spezifischen Kultur, diese grundlegenden Beziehungserfahrungen machen, indem sie bestimmte Kernbeziehungsthemen verinnerlichen, welche jeweils mit bestimmten Emotionen korrespondieren. Die Kernbeziehungsthemen haben einen unmittelbaren Bezug zu den Zielhierarchien des Individuums, die den Situationen ihre individuelle Bedeutung und Wichtigkeit verleihen: Wut ein erniedrigender Angriff gegen mich und die meinen Angst einer ungewissen, existentiellen Bedrohung gegenüberstehen Schuld einen moralischen Imperativ überschritten haben Scham versagt haben, einem Ich-Ideal zu entsprechen Trauer einen unwiderruflichen Verlust erlebt haben Neid wollen, was jemand anderes besitzt Eifersucht einer Drittperson übelnehmen, jemandes Zuneigung verloren zu haben oder gefährdet zu sehen Ekel unverdauliche Objekte oder Ideen einnehmen oder zu nahe daran zu sein (metaphorisch gesprochen) Freude angemessenen Erfolg in Hinblick auf die Erreichung eines Zieles machen Stolz Erhöhung der eignen Ich-Identität durch die Einsteckung von Anerkennung für geschätze Objekte oder Leistungen, die entweder von uns selber stammen oder von dem Mitglied einer Gruppe, mit der wir uns identifizieren Erleichterung ein unangenehmer ziel-inkongruenter Zustand hat sich zum besseren verändert oder ist verschwunden Hoffnung das Schlimmste fürchten aber sich nach Besserem sehnen Liebe Zuneigung wünschen oder erleben, die meistens, aber nicht notwendigerweise erwidert wird Mitgefühl gerührt sein durch eines anderen Leid und helfen wollen Tabelle XX: Kernbeziehungsthemen für jede einzelne Emotion (Lazarus 1991a, Table 3.4) Magda Arnold, 1960 – „Bewertungskonzept“ - Woher kommt die der Situation und der Emotion angemessene körperliche Reaktion ? - Def. Bewertung: „mentale Einschätzung des möglichen Schadens oder Nutzens einer Situation; die Emotion sei die empfundene Tendenz zu etwas Gutem hin und von etwas Schlechtem fort“ (hedonistische Komponente). - Der Bewertungsprozeß vollzieht sich (meist) unbewußt, seine Folgen werden bewußt als Emotion wahrgenommen (Furcht z.B. ergibt sich aus der Handlungstendenz fortzulaufen). Gefühle setzen die Handlung selbst nicht voraus, nur die Tendenz ist erforderlich. Unterschiedlichen Emotionen gehen unterschiedliche Bewertungsprozesse voraus, die im nachhinein introspektiv erkannt und neu bewertet werden können. Reiz Bewertung Handlungstendenz Gefühl - Lazarus (1966) führte Vpn grausamen Film mit unterschiedlichen verbalen Kommentaren (=Wertungen) vor; unterschiedlich starke emotionale Reaktionen zwischen den Gruppen wurden gefunden. Unterschiedliche Kontextinformationen führten bei den Vpn zu unterschiedlichen Bewertungsprozessen. Allg. kognitives Bewertungsmodell: Reiz Bewertung Gefühl - Lazarus vs. Zajonc Grawe-Skript 1996 Das Gemischte Strukturmodell nach Russell (1980) und die SASB nach Benjamin (1997) Dimensionen: Lust-Unlust bzw. Erregung-Ruhe Abb. aus dem Müller/Brühlmann-Skript ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Zusammenfassend: Die Merkmale der Emotion Emotionen sind wie viele andere psychologische Begriffe hypothetische Konstrukte, die als solche nicht direkt beobachtbar sind. Auf Emotionen wird aus verschiedenen Indikatoren geschlossen. Das Gefühl, wovon im Alltag im allgemeinen gesprochen wird, ist nur eine Komponente der Emotion. Insgesamt gibt es mindestens fünf Komponenten des Emotionskonstrukts (Scherer, 1996), welche sich im Laufe der psychologischen Forschung über das Phänomen Emotion herauskristallisiert haben: 1. Neurophysiologische Reaktionsmuster (im zentralen und autonomen Nervensystem) 2. Kognitive Bewertungen 3. Motorischer Ausdruck (in Gesicht, Stimme, Mimik) 4. Subjektives Gefühl 5. Handlungstendenz oder -bereitschaft Wie diese Komponenten zueinander im Verhältnis stehen und ob sie alle wirklich für die Entstehung einer Emotion nötig sind, ist nicht eindeutig, doch dienen sie dazu, das Konstrukt der Emotion etwas fassbarer zu machen. Ein Beispiel sollte dies veranschaulichen: Nehmen wir an, dass eine Person nachts einem Hund begegnet, der nicht an der Leine ist. In dieser Situation von potentieller Bedrohung kann ein Prozess mit jenen Komponenten, die für eine Emotionsepisode typisch sind, beginnen. Die Person empfindet Angst (Gefühlskomponente) im Zusammenhang damit, dass sie den Hund als gefährlich bewertet (kognitive Komponente) und als der Hund zu bellen beginnt, bemerkt sie, wie sie zu schwitzen beginnt oder ihr Herz schneller schlägt (physiologische Reaktion), vielleicht steht der Person „die Angst ins Gesicht geschrieben“ (motorischer Ausdruck) und sie denkt daran wegzurennen (Handlungstendenz). Die einzelnen Komponenten entscheiden über die Intensität der Emotionsepisode. Eine kognitive Bewertung der Situation als unbedrohlich, vielleicht dadurch, dass der Hundebesitzer den Hund zurückpfeift, bewirkt, dass die Angst kleiner ist. Im Folgenden werden jene Komponenten der Emotion erläutert, die für das Verständnis für die emotionale Regulation wichtig sind: Eine der frühsten Emotionstheorien, die James-Lange-Theorie (James, 1890; Lange, 1885) fokussiert auf die Physiologie : Sie behauptet sehr sparsam, dass die Wahrnehmung körperlicher Veränderungen Emotionen sind (Body-Feedback Hypothese). Diese Überlegung illustriert folgender Satz treffend: Wir weinen nicht, weil wir traurig sind, sondern wir sind traurig, weil wir weinen. Cannon (1927) hat die James-Lange-Theorie dahingehend kritisiert, dass die körperlichen Reaktionen im Vergleich zu den emotionalen Reaktionen zu langsam und zu wenig differenziert seien, als dass sie den subjektiven Gefühlen eines Menschen entsprechen könnten. Cannon behauptet alternativ, dass sowohl subjektive Gefühle als auch die somatischen Reaktionen von neuronaler Aktivität des Hirns stammen und voneinander kausal unabhängig sind. Später haben Schachter und Singer (1962) eine modifizierte Version der James-Lange-Theorie entwickelt. Sie gehen davon aus, dass die Emotionen mit einer unspezifischen physiologischen Erregung einhergehen, die zum Beispiel für Freude oder Ärger nicht verschieden ist und dass situative Reize zur Interpretation eines Gefühls gebraucht werden. Leventhal (1984) geht davon aus, dass das Gefühlserleben nicht zwingend vom somatischen Feedback abhängt, dass dieses aber oft Grundlage für die emotionale Synthese darstellt. Die Frage nach der Rolle der Kognition in der Emotion wurde erst viel später thematisiert: Sie war Gegenstand einer Kontroverse zwischen Lazarus (1982, 1984) und Zajonc (1980). Zajonc geht davon aus, dass Kognition und Emotion zwei partiell unabhängige Systeme sind und dass Emotion kein postkognitives Phänomen ist, dass es also Emotionen gibt, die ohne kognitive Bewertungen stattfinden. Nach Lazarus sind Kognition und Emotion nicht voneinander trennbar und Kognitionen können auch automatisch und unbewusst geschehen. Greenberg und Safran (1987) gehen von interdependenten Systemen mit reziproker Kausalität aus. Zentral ist die Vorstellung, dass es im Rahmen des Erwachsenenalters keine emotionalen Episoden gibt, die frei von kognitiven Bewertungen sind und es umgekehrt keine Kognitionen gibt, in die nicht auch emotionale Erfahrungen einfliessen (Anmerkung: Ob es Emotionen gibt, die frei von Kognitionen sind, ist ein weitere Kontroverse (zum Beispiel Clore, 1994; Frijda, 1994; Lazarus, 1984). Mayer & Salovey (1995) gehen davon aus, dass es in der frühen Kindheit Emotionen gibt, die approximativ kognitionsfrei sind). Auch ist davon auszugehen, dass es sich beim Zusammenhang von Kognition und Emotion nicht um eine sequentielle Beziehung handelt, sondern dass ein reziprokes Feedback-Modell diese Beziehung adäquater beschreibt (zum Beispiel Candland, 1977). Die kognitiv-motivational-relationale Theorie der Emotionen von Lazarus ist wichtig für das Verständnis der Rolle, die Kognitionen im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung und Veränderung von Emotionen spielen. Lazarus (1991) geht davon aus, dass Emotionen eine Bewertung der momentanen Individuums-Umgebung-Beziehung im Hinblick auf die aktivierten Ziele darstellen. Nach Lazarus sind Emotionen grund sätzlich umgebungsbezogen und entsprechend sind die jeweiligen Emotionen mit einem sogenannten „Kernbeziehungsthema“ (s.o.) verbunden. Positive oder negative Emotionen sind das Ergebnis eines Bewertungsprozesses. Bei der primären Bewertung wird die Zielrelevanz (Ist das Ziel wichtig?), die Zielkongruenz (Habe ich das Ziel erreicht?) und die Art der Ich-Beteiligung (Was sind meine persönlichen Wertvorstellungen?) eingeschätzt. Die Evaluation nach diesen drei Gesichtspunkten entscheidet über die Qualität und Intensität des Gefühls. Die sekundäre Bewertung bezieht sich auf den Umgang mit den Gefühlen, die aus der primären Bewertung resultieren. Dabei geht es um die Zuschreibung der Verantwortlichkeit (Wer ist zum Beispiel Schuld an meinen negativen Gefühlen?), der Einschätzung des Coping-Pontentials (Wie kann ich mit der gegenwärtigen Situation umgehen?) und der Zukunftserwartung (Was erwarte ich in Zukunft für Ergebnisse?). Diese Bewertungsprozesse laufen unter Umständen automatisiert und nicht bewusst ab. Das resultierende Gefühl ist in der Regel einfach da. Bewusste Prozesse können aber auch eine wichtige Rolle spielen, vor allem dann, wenn beispielsweise die Zielrelevanz neu überprüft wird (Ist mir dieses Ziel wirklich so wichtig?). Diese Neubewertung kann schon bei der Emotionsentstehung eingreifen und beeinflusst so die Aufrechterhaltung des Gefühls. Die Prozesse der wiederholten Bewertungen können als emotionsregulierend betrachtet werden. Die Rolle der dritten Komponente der Emotion, der Ausdruck, wurde unter der Facial-Feedback Hypothese thematisiert: Beispielsweise mussten die Versuchspersonen in einem Experiment von Starck, Stepper und Martin (1988) unter einem Vorwand einen Stift so in den Mund nehmen, dass jene Muskeln, die zum Lachen gebraucht werden, entweder gehemmt (der Stift wurde mit den Lippen gehalten) oder stimuliert (der Stift wurde zwischen den Zähnen gehalten) wurden. Dabei wurde ein Trickfilm gezeigt und anschliessend mussten die Versuchspersonen beurteilen, wie lustig sie den Film fanden. Jene, die den Lachmuskel unterdrückten, fanden den Film weniger lustig als jene, die den Lachmuskel stimulierten. Derartige Experimente geben gewisse Hinweise darauf, dass der motorische Ausdruck rückwirkend auf das subjektive Gefühl wirkt. Von vielen Autoren wurde die spezielle Rolle des Feedbacks vom Gesicht auf die Qualität des Gefühls behauptet (zum Beispiel Izard, 1977, Tomkins, 1962). Ekman (1984) untersuchte den Unterschied zwischen willkürlichem und unwillkürlichem emotionalem Ausdruck, also Ausdruck, der zu einem Gefühl gehört und „falschem“ Ausdruck. Mit dem FACS (Facial Action Coding System; Ekman und Friesen, 1978) konnten sie in verschiedenen Untersuchungen zeigen, dass der „gespielte“ Ausdruck sich vom echten Ausdruck unterscheidet, was die Beteiligung der Gesichtsmuskeln anbelangt. Beispielsweise, dass ein unechtes Lachen („miserable smile“) vom echten insofern verschieden ist, dass es a) zu lange dauert, b) der On- und Offset zu abrupt ist, c) die Muskeln um die Augen nicht beteiligt sind und d), dass es asymmetrisch ist (Ekman, 1984). Das subjektive Gefühl als eine der wichtigsten Komponente der Emotion hat eine spezielle Bedeutung: Schon James (1890) hat mit seiner Vorstellung, dass Gefühle die Wahrnehmung körperlicher Veränderungen ist, angedeutet, dass das Gefühl die Reflexion körperlicher Veränderung darstellt. Scherer (1984, 1996) geht davon aus, dass das subjektive Gefühl das Zusammenspiel aller Komponenten der Emotion überwacht, reflektiert und integriert. Die Überwachung der sich ständig verändernden Subprozesse von Physiologie, Ausdruck und Handlungstendenz ist die Basis dafür, dass wir unseren Emotionen nicht nur ausgeliefert sind, sondern sie auch kontrollieren oder regulieren können. Emotionen sind ein moderierender Faktor zwischen dem Individuum und der Umwelt. Sie liefern uns wichtige Information über uns und die Aussenwelt, bewerten die Relevanz von Umweltstimuli, motivieren unser Handeln und lassen uns auf die Welt kommunikativ Einfluss nehmen. Kurzum, Emotionen regulieren unser Verhältnis zur Welt. Emotionen sind ein komplexes Geschehen, in dem viele Subsysteme des Organismus eine wichtige Rolle spielen. Die bisherigen Ausführungen haben vor allem die Rolle der einzelnen Komponenten bei der Entstehung des subjektiven Gefühls beleuchtet. Das Gefühl ist darüber hinaus als Reflexion und Überwachung aller Emotionskomponenten zu verstehen (Scherer, 1984). Dies ist die Voraussetzung dafür, dass der Emotionsprozess auch rückwirkend reguliert werden kann. II. Der Beitrag der Neurowissenschaft zur Emotionsforschung - Kandel - Le Doux - Damasio - Rizzolatti, Gallese - Ramachandran Ich möchte beginnen mit einer Klärung und Definitionen von Begriffen und deren Anordnung im Gehirn: ............... Abb. X: Lage und Struktur emotionsrelevanter Teile im Gehirn des Menschen Ich möchte weiterfahren mit einer Einführung in die physiologische Emotionsforschung und zitiere dabei zunächst ein paar Thesen aus dem berühmten Lehrbuch von Kandel et al. (1996), S. 607: "Eine Theorie der Emotionen muss die Beziehung zwischen kognitiven und physilogischen Zuständen erklären. Der Hypothalamus ist eine entscheidende subcorticale Struktur bei der Regulation von Emotionen: - Das autonome Nervensystem ist an emotionalen Prozessen beteiligt - Der Hypothalamus spielt eine Hauptrolle bei der Output-Kontrolle des autonomen Nerensystems - Der Hypothalamus kontrolliert das endokrine System - Durch Reizung des Hypothalamus können Manifestationen emotionaler Zustände selektiv ausgelöst werden Die Suche nach corticalen und subcorticalen Repräsentationen von Emotionen führte zur Amygdala: - Die Amygdala ist der im Zusammenhang mit Emotionen wichtigste Teil des limbischen Systems - Ueber den basolateralen Komplex gelangen die meisten sensorischen Informationen in die Amygdala - Der nucleus centralis der Amygdala projiziert in corticale Areale, die mit der Repräsentation von Emotionen betraut sind" Die "Lames-Lange-Schachter-Damasio-Theorie" (Kandel 1996, S. 609): .................... Zusammenfassend (aus Kandel et al. 1996, S. 623): "Das Zusammenspiel zwischen Amygdala, Hypothalamus, Hirnstamm und autonomem Nerbensystem auf der einen Seite sowie Amygdala, frontalem und limbischem Cortex auf der anderen Seite führt zu Erlebnissen, die wir als emotional bezeichnen. Das Verhalten von Patienten, denen der präfrontale Cortex entfernt wurde, stützt diese Vorstellung. Diese Patienten werden nicht mehr länger von chronischem Schmerz geplagt. Wenn sie Schmerz empfinden und entsprechende autonome Reaktionen zeigen, wird der Schmerz nicht mehr länger mit einem überwältigenden emotionalen Erlebnis assoziiert. Schädliche oder angenehme Reize haben also eine Doppelwirkung. Zum einen veranlassen sie die Amygdala, autonome und endokrine Reaktionen einzuleiten, die durch den Hypothalamus integriert werden und den inneren Zustand verändern; auf diese Weise wird der Organismus auf Angriff, Flucht, Sexualkontakt oder andere adaptive Verhaltenssweisen vorbereitet. Diese inneren Reaktionen sind relativ einfach auszuführen und erfordern keine bewusste Kontrolle. Sobald das Tier jedoch mit seiner Aussenwelt interagiert, kommt eine zweite Gruppe von Mechanismen ins Spiel, an denen auch die Grosshirnrinde beteiligt ist. Diese Mechanismen modulieren das Verhalten des Tieres auf eine ganz ähnlicghen Weise, wie propriozeptive Rückmeldungen über ein unebenes Terrain das zentrale Programm der Lokomotion modulieren." Die Amygdala als zentrale Repräsentanz im limbischen System, als Vermittler zwischen Stammhirn und Kortex Le Doux, zitiert aus "Das Netz der Gefühle" ............. Damasio: Die eigentlichen Emotionen: Eine Hypothese in Form einer Definition Unter Berücksichtigung der verschiedenen Arten von Emotionen kann ich nun eine Arbeitshypothese in Form einer Definition der eigentlichen Emotion liefern. 1. Eine eigentliche Emotion, wie zum Beispiel Glück, Trauer, Verlegenheit oder Mitgefühl, ist ein komplexer Ablauf chemischer und neuraler Reaktionen, die ein unverwechselbares Muster bilden. 2. Diese Reaktionen produziert das normal funktionierende Gehirn, wenn es einen emotional besetzten Stimulus (EBS) entdeckt, ein Objekt oder ein Ereignis, dessen Gegenwart entweder konkret oder in der Erinnerung die Emotion auslöst. Die Reaktionen laufen automatisch ab. 3. Durch die Evolution ist das Gehirn darauf vorbereitet, auf bestimmte emotional besetzte Stimuli mit bestimmten Handlungsrepertoires zu antworten. Doch die Liste der EBS ist nicht auf solche beschränkt, welche die Evolution vorgibt. Viele andere kommen hinzu, die im Zuge einer lebenslangen emotionalen Erfahrung gelernt werden. 4. Das unmittelbare Ergebnis dieser Reaktionen ist eine zeitweilige Veränderung des Zustands des Körpers selbst und des Zustands der Hirnstrukturen, die den Körper kartieren. und das Substrat des Denkens bilden. 5. Letztlich, führen diese Reaktionen direkt oder indirekt zu Bedingungen, die dem Überleben und Wohlbefinden des Organismus dienlich sind. Exkurs Spiegelneurone: Die von Rizzolatti, Gallese et al. im prämotorischen Cortex (Zone F5, entspricht der Broca-Zone beim Menschen) von Makaken entdeckten Neuronen sind aktiviert, wenn das Tier bestimmte Handlungen ausführt (das Greifen einer Rosine etwa) oder diese Handlung bei einem Anderen (dem Tierpfleger) beobachtet. Da auch bei Menschen Spiegelneurone in der Broca-Zone – wesentlich für Spache bzw. Sprechhandlungen - aktiv sind, wurden die Imitationsleistungen, für die die Spiegelneurone eine Grundlage bieten, als eine wichtige Erklärungsvariante für das Entstehen von Sprache herangezogen (Rizzolatti, Arbib 1998). Allerdings würde ich Arbibs Annahme eines „primitiven Dialogs“ – „This dialogue forms the core of language“ (ibid.) umformulieren in „primitive polylogue“, weil die „Multisubjektsituation“ ein Kommunizieren nach vielen Seiten erforderlich macht. Ramachandrans (2000) auf der Grundlage von Rizzolattis Arbeiten vorgetragenen weitreichenden Spekulationen über den „big bang“ in der Humanevolution vor ca. 40 000 Jahren, als in Europa bei den Cro-Magnon Menschen komplexe kulturelle Leistungen (Werkzeuge, Verzierungen, Malerei) aufkamen, für die die Aktivität der Spiegelneurone zentral stände, ist in der Tat dikussionwürdig (Hauser, Ramachandran et al. 2000), und das auf vielen Ebenen: Lernen erfolgt natürlich nicht nur durch die Aktivität von Spiegelneuronen, sondern ist als „cerebrale Gesamtleistung“ zu sehen, wenn man nicht in einen neurowissenschaftlichen Reduktionismus verfallen will. Und er betont auch: „mirror neurons are necessary but not sufficient“ (ibid.). Dennoch zeigt Rafael Nuñez, wenn er auf die „richness, the subtleties, the dynamism, and the complexity of the human mind“ verweist (in Hauser et al. 2000) zu Recht eine Reduktionismusgefahr auf, denn: Subjekte denken, nicht Neuronen. Sie sind indes die materielle Grundlage dieses Denkens. Es findet sich hier – wieder einmal – eine Schnittstelle zum „body mind problem“, dem Problem der Verschränkung von materieller (biochemischer, biophysikalischer) Wirklichkeit und transmaterieller (kognitiver, mentaler, psychologischer) Wirklichkeit, die die materielle als unverzichtbare Basis hat, so die Integrative Position (Petzold, van Beek, van der Hoeck 1994). Ramachandrans Diskurs löst dieses Problem nicht. Die auf Merleau-Ponty zurückgehende integrative Konzeption des „Leibes“, in dem die materielle und transmaterielle Dimension verschränkt ist, bietet für uns ein Arbeitskonzept für den derzeitigen Stand unseres Wissens und unserer konzeptuellen Arbeit. Im Leib wurde – u.a. durch die Mitwirkung von Spiegelneuronen - Weltwahrnehmung und Mitmenscherfahrung in komplexem Lernen verkörpert (eben darin liegt ein spezifisches Lerngeschehen) und – alle Rezeptivität von Außeneinflüssen übersteigend - zu einer je einzigartigen Subjekthaftigkeit gestaltet (auch das ist ein spezifisch menschlicher Lernprozess, er fehlt den Tieren). Diese Prozesse evolutionären Lernens sind älter als ein vermuteter „big bang“ der Humanintelligenz an der Grenze zur Jungsteinzeit, sondern es müssen kontinuierliche kollektive Lernprozesse auf hohem Niveau angenommen werden. In Afrika und Asien wurden weitaus ältere Zeugnisse der Werkzeugherstellung gefunden - Acheuléen-Werkzeuge seit ca. 1.4 Millionen Jahren - und einfache Schmuckformen als in Europa, was die eurozentrische „theory of the mind“ mit einem „big bang“ vor ca. 40 000 Jahren in Frage stellt. Außerdem läßt die Entwicklung des Hirnvolumens schon 150 – 200 000 Jahre früher differenziertere Intelligenzleistungen annehmen und die gemeinschaftliche Überlebensarbeit des Gruppentiers „Mensch“, wie sie aus den Funden ersichtlich wird, verweist auf eine doch schon recht komplexe, kommunikationszentrierte Sozialstruktur. Die Artefakte zeigen technische Traditionsbildungen, die dokumentieren, daß bei der Weitergabe solcher handwerklichen und künstlerischen Fähigkeiten ein differenziertes Lehren und Lernen am Werk war, bei dem mimetische Imitations- und interaktive Synchronisationsleistungen – gestützt durch die Aktivität von Spiegelneuronen – eine zentrale Rolle spielten. Es handelte sich offenbar um Prozesse, in denen motorische Nachahmung einerseits und der polylogische mimisch-gestische, prosodisch-vokale und protoverbale (D. Bickerton 1990) und irgendwann auch verbale Austausch von Informationen andererseits, eine Grundlage für intracerebrale Konnektivierungen und Kommunikationen bildete, wie sie für das Gehirn eines voll kortikalisierten Hominiden des Sapienstypus kennzeichnend sind, dessen Großhirn nur zu 10-20% mit der Verarbeitung von Außeninput beschäftigt ist. Ansonsten beschäftigt sich „das System ... hauptsächlich mit sich selbst: 80 bis 90% der Verbindungen sind dem inneren Monolog [ich würde mit guten Gründen formulieren „Polylog“, H.P.] gewidmet. Dies ist ein erster und starker Hinweis dafür, daß im Gehirn Prozesse ablaufen, die vorwiegend auf internen Wechselwirkungen beruhen und nicht erst dann einsetzen, wenn von außen Reize einwirken ... Bedeutsamer wird mit zunehmender Entfernung von den Sinnesorganenen selbstgenerierte Aktivität, welche von den Sinnessignalen lediglich moduliert wird“ (Singer 2002, 103). Diese inneren, von komplexen sozialen, höchst mimetischen und kommunikativen Situationen angeregten Polyloge waren für die Entwicklung von Sprache, exzentrischem Bewußtsein und Kultur – und damit für Subjekthaftigkeit - maßgeblich. Die multiplen informationalen Konnektivierungen durch Mimik, Gestik, Prosodik, Laute, Zeichen „zwischen sich gegenseitig abbildenden und reflektierenden Gehirnen“ (ibid. 195), waren die Grundlage von Bewußtsein und Sprache, von komplexen kulturellen Leistungen einerseits und für die intracerebralen Entwicklungen andererseits. Die Prozesse der Kortikalisierung im Verlauf der Evolution, des Entstehens kognitiver Architektur, die Emergenz immer koplexerer kortikaler Leistungen ist von den Polylogen zwischen einzelnen Mitgliedern der Spezies Mensch bestimmt. Sie ermöglichen dann Simulationsleistungen, die synchronisiertes Handeln unterstützen, aber auch ein „mind-reading“, ein empathisches Erfassen des Anderen ermöglichen (Gallese, Goldman 1998). Sie förderten aber auch die cortico-corticalen Polyloge zwischen den verschiedenen Hirnarealen, die unterschiedlichste Informationen verbinden: Geruch, Geschmack, ertastete Oberflächenstruktur, Temperatur, Gewicht, Farbe usw. etwa zum „Gesamtperzept“ eines Apfels als einer Synchronisationsleistung – oder, komplexer noch, sie ermöglichen das Erfassen einer Gesprächssituation, ja die antizipierende Vorwegnahme des Gesprächsverlaufs, weil durch die sozialen Erfahrungen in zahllosen Polylogsituationen sich ein allen Gruppen- oder Kulturteilnehmern gemeinsames Wissen ausgebildet hat, ein „common sense“, eine geteilte „social world“ als Sets von „mentalen Repräsentationen“ (Moscovici 2001), Niederschlag kollektiver Erfahrungen auf verschiedenen Ebenen. Mit einer solchen Position wird affirmiert, was Kontexttheoretiker (Bronfenbrenner, Cole, Rogoff) in der Folge von Vygotskij (Petzold 2000h) herausgearbeitet haben: der gemeinsame Kontext bestimmt die gemeinsame Kultur, intermentale Wirklichkeit schafft intramentale (Vygotskij 1960, 191f). „Kinder [ja Menschen über ihre gesamte Lebensspanne sc.] wachsen in das geistige Leben der Menschen in ihrer Umgebung hinein“ (ders. 1978, 88) durch „psychologische Werkzeuge“ wie Sprach-, Symbol-, Zahlensysteme etc. wie Vygotskij, Lurija und ihre Schüler zeigen konnten. Intracerebral informieren sich einzelne Neuronen und Ensembles von Neuronengruppen, sie antworten aufeinander, stimmen sich ab, polylogisieren (Singer, Gray 1995; Singer 1999a) und generieren auf diese Weise durch Formatierungen und Reformatierungen von informationalen Konfigurationen Wissensstände von immer größerer Komplexität, aber auch immer leistungsfähigere Wahrnehmungs-Verarbeitungs-Handlungsperformanzen (Petzold, van Beek, van der Hoek 1994, deren Ausdruck in kommunikativen Akten nach „außen“ zu anderen Hominiden hin zu Prozessen kollektiven Lernens, eines Lernens durch Polyloge führt, denn „im Laufe der Hirnentwicklung hat sich ... die Möglichkeit angeboten ... auch die Inhalte der hierarchisch höherstehenden assoziativen Speicher über die bereits vorhandenen Effektorsystem zu externalisieren und damit Lebewesen mit ähnlich strukturierten Nervensystemen auf Zustandsänderungen im eigenen System hinzuweisen“ (Singer 2002, 218) bzw. spezifische innere Zustände zu kommunizieren, Primaten verfügen „über ein breites Spektrum akustischer und mimischer Signale, mit Hilfe derer sie ihre Gruppenmitglieder über ihre Stimmungen und Intentionen in Kenntnis setzen ... Die bereits für die einzelnen Gehirne charakteristischen rekursiven Prozesse weiten sich aus und beziehen die Gehirne der kommunikationsfähigen Artgenossen mit ein. Diese Iteration von Perzeption, Reflexion, Rekombination, Abstraktion, Kommunikation und Perzeption, die sich als unendliche Reihe fortsetzen kann, ist in der Lage, neue Systeme von fast beliebiger Komplexität hervorzubringen“ (ibid. 221). Diese anschauliche Beschreibung von Wolf Singer deckt sich weitgehend mit den Modellvorstellungen, wie sie in auch in der Integrativen Therapie entwickelt wurden (Petzold, van Beek, van der Hoek 1994; Petzold, Orth et al. 2001), nur daß wir den Akzent etwas anders setzen: die rekursiven Prozesse der Gehirne bestehen nicht „bereits“, d.h. seit eh und je, sondern die intracerebrale Rekursivität gründet in der permanenten Interaktion von Organismen mit ihren relevanten „environments“, in den Erzählungen (narrations) über diese Interaktion, die sich in Form von „evolutionary narratives“ (ibid.), von Mustern bzw. Programmen im Genom niedergeschrieben haben und sich bei jedem Organismus in seiner Interaktion mit gegebenen ökologischen und sozialen environments in entsprechenden Genexpressionen höchst spezifisch aktualisieren. Natürlich kann es nicht um die Frage nach der Henne oder dem Ei gehen: „Was war zuerst, der Polylog oder der plurifunktionale Neocortex?“ -, sondern es soll nochmals unterstrichen werden: Innere und äußere Polyloge bedingen einander und schaffen die Voraussetzungen für das Entstehen eines sensus communis, von „common sense“, von „social worlds“, von „représentations sociales“(vgl. S. Moscovici, A. Strauss u.a.), Phänomene, die in Polylogen gründen, in der Sozialpsychologie intensiv untersucht wurden und für die Prozesse kollektiven Lernens kardinale Bedeutung haben (und damit z.B. auch für soziotherapeutische Interventionen in der Integrativen Therapie).

    ------------------------------------------------------------------------------------------------------ SPECIAL: Die neue Medizin der Emotionen Sieben neue Wege der Heilung In "Die neue Medizin der Emotionen" stellt David Servan-Schreiber sieben alternative Methoden zur Behandlung von Stress, Angst und Depression vor, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen wurde. Herzkohärenz Neuroemotionale Integration durch Augenbewegungen (EMDR) Sonnenaufgangssimulation Akupunktur: Die Steuerung des Qi Omega-3-Fettsäuren Adidas statt Xanax Emotionale Kommunikation Das menschliche Gehirn besteht aus zwei Teilen. Während das kognitive, rationale Gehirn, Sitz des Denkens und der Sprache, auf der Hirnrinde (Kortex) angesiedelt ist, liegt das emotionale Gehirn als eine Art „Gehirn im Gehirn“ in einer tieferen Schicht darunter. Das emotionale Gehirn kontrolliert alles, was das psychische Wohlbefinden regelt, sowie einen Großteil der Körperfunktionen: Herzschlag, Blutdruck, Hormone, das Verdauungs- und sogar das Immunsystem. Die beschriebenen Methoden wenden sich, auf dem Weg über den Körper, unmittelbar an das emotionale Gehirn. Fallbeispiele aus dem Buch Hoher IQ, niedriger EQ Marianne: Das Gefühl steckt im Körper Ohne Gefühle gerät das Leben aus den Fugen Herzkohärenz
    Kurzinformation von Sibylle Aisenpreis
    Wenn das Herz aus den Fugen gerät:
    Schwerer Stress, Depression, chronische Erschöpfung, Schmerz und Angst werden den neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen nach heute als Störung des Zusammenspiels von verschiedenen Anteilen des Nervensystems, des Herzens und der Emotionen verstanden. Somit ist für die Behandlung von chronischen und so genannten Zivilisationskrankheiten ein neues Verständnis für das Zusammenspiel von Herz, Gehirn und Nervensystem nötig. Durch einfache Atem- und Visualisationsübungen lassen sich diese Körpersysteme verändern und besser miteinander in Einklang bringen.

    Zwei Hirnsysteme:
    Antonio Damasio, Professor für Neurologie und Forscher auf dem Gebiet der Neurowissenschaften bezeichnet das psychische Leben als Ergebnis eines fortwährenden Versuchs der Symbiose zwischen zwei weitgehend unabhängigen Hirnsystemen. Diese Teilbereiche sind zum Einen das kognitive Gehirn, der sogenannte Neocortex, zum Anderen das emotionale Gehirn, auch limbisches System genannt. Der Neocortex funktioniert bewusst, rational und der Außenwelt zugewandt, im Gegensatz zum limbischen System, welches unbewusst arbeitet, in erster Linie aufs Überleben bedacht ist und in engem Kontakt zum Körper steht.

    Der Neocortex:
    Der Neocortex, bzw. präfrontale Cortex befindet sich an der Oberfläche, da er aus evolutionärer Sicht die jüngste Schicht des Gehirns darstellt und umhüllt das limbische System. Er besteht aus sechs Neuronenlagen, die dem Gehirn die Fähigkeit verleihen, Informationen zu verarbeiten. Der präfrontale Cortex steuert Achtsamkeit, Konzentration, Hemmung oder Unterdrückung von Impulsen und Instinkten, sowie die sozialen Beziehungen und stellt somit eine wesentliche Komponente unseres Menschseins dar.

    Das limbische System:
    Das limbische System besteht aus den am tiefsten liegenden Schichten des menschlichen Gehirns, es handelt sich dabei um ein „Gehirn im Gehirn“. Seine Organisation ist viel einfacher als die des Neocortex. Dies zeigt sich daran, dass die meisten Bereiche des limbischen Gehirns in unregelmäßigen Neuronenschichten angeordnet sind und die Nervenzellen miteinander verschmolzen sind. Die Informationsverarbeitung ist deshalb viel primitiver als die des Neocortex, dafür aber deutlich schneller und deshalb für elementare Überlebensreaktionen geeignet. Das limbische System bekommt fortwährend Informationen aus verschiedenen Körperbereichen und reagiert entsprechend, indem es das physiologische Gleichgewicht kontrolliert von Atmung, Herzrhythmus, Blutdruck, Appetit, Schlaf, Libido, Ausschüttung von Hormonen und sogar des Immunsystems. Emotionen: So gesehen sind unsere Emotionen nichts anderes als das bewusste Erleben eines großen Zusammenspiels physiologischer Reaktionen, die die Aktivität der einzelnen Körpersysteme überwachen und den inneren und äußeren Umständen anpassen. Das emotionale Gehirn kennt daher den Körper viel besser als das kognitive Gehirn und auf Grund dessen ist es oft leichter, über Körperwahrnehmungen auf das emotionale Gehirn einzuwirken als allein über die Sprache. Emotionale Intelligenz: Das Gleichgewicht zwischen Gefühl und Vernunft, bzw. die Harmonie zwischen Emotion und Kognition wird als emotionale Intelligenz bezeichnet. Ausgehend von der emotionalen Intelligenz wurde ein emotionaler Quotient (EQ) entwickelt, der anhand folgender Fähigkeiten gemessen wird: 1. Fähigkeit, seinen eigenen Gefühlszustand und den anderer zu erkennen 2. Fähigkeit, den natürlichen Ablauf von Gefühlen zu verstehen 3. Fähigkeit, über seine eigenen Gefühle und die anderer vernünftig nachzudenken und zu urteilen 4. Fähigkeit, mit seinen eigenen Gefühlen und denen anderer richtig umzugehen Das Herz Hirn System: Gerät das emotionale Gehirn aus den Fugen, leidet das Herz darunter und umgekehrt beeinflusst der Zustand unseres Herzens ständig unser Gehirn. Somit ist die Beziehung zwischen dem emotionalen Gehirn und dem „kleinen Gehirn“ des Herzens der Schlüssel zur emotionalen Intelligenz. Das halbautonome Neuronennetz des Herzens ist eng mit dem limbischen Gehirn verbunden und beide beeinflussen sich gegenseitig. Dabei spielen zwei Zweige des autonomen Nervensystems eine große Rolle: Der „sympathische Zweig“ schüttet das Hormon Adrenalin aus, beschleunigt den Herzschlag und aktiviert das emotionale Gehirn, der „parasympathische Zweig setzt den Neurotransmitter Acetylcholin frei und lässt das Herz langsamer schlagen. Dieses System wirkt wie Gas und Bremse und sollte, wenn möglich, im Gleichgewicht sein, was jedoch häufig nicht der Fall ist. Auch das Herz selbst produziert Hormone, wie Adrenalin, Noradrenalin und Oxytocin, die alle unmittelbar auf das Gehirn wirken, sowie das Atriopeptin, welches den Blutdruck regelt. Herzkohärenz: Zwei charakteristische Arten von Herzschlag-schwankungen können mit Hilfe von Pulswellen-Messungen und den Auswertungen durch Computerprogramme (Biofeedback) beschrieben werden: Chaos und Kohärenz. Wohlgefühl, Dankbarkeit, Mitgefühl oder Glücksgefühl führen zu regelmäßigen Pulsveränderungen, d.h. der Wechsel zwischen Beschleunigung und Bremsen des Herzschlages verläuft gleichmäßig. Dieser Zustand wird Kohärenz genannt. Bei Stresszuständen, Angst, Depression oder Ärger wird der Rhythmus des Pulses ungleichmäßig, bzw. chaotisch. Durch tägliches Herzkohärenztraining mit Hilfe von Biofeedback kann die Variabilität des Herzens gesteigert werden, bzw. die Körperphysiologie positiv beeinflusst werden. Studien zufolge wirkt sich die Kohärenz des Herzens auch unmittelbar auf die Leistung des Gehirns und seiner Funktionen aus. Das zeigt sich z.B. an schnelleren Reaktionen und besseren Leistungen unter Stress. Das Kohärenztraining führt bei regelmäßiger Anwendung zu innerer Ruhe, ist aber keine Methode der Entspannung. Sie ist eine Verhaltensweise, die sich in allen Situationen des Alltagslebens anwenden lässt und langfristig Angst und Depression kontrollieren kann, blutdrucksenkend sowie immunsystem-stimulierend wirken kann. Studien zur Herzkohärenz: An der Universität Stanford nahmen Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz an einer Herzkohärenzschulung teil. Die Symptome der Gruppe waren u. a. Atemnot, Müdigkeit, Ängste und Depressionen. Nach sechswöchiger Behandlung hatte das Stressniveau der Gruppe um 22 % , die Depression um 34 % abgenommen und der körperliche Zustand sich um 14% verbessert. Bei der Kontrollgruppe, die mit konventionellen Mitteln behandelt wurde, hatten sich alle genannten Indikatoren verschlechtert. Sowohl in London, als auch in den USA durchliefen viele Tausende von Angestellten großer Firmen Kohärenzschulungen. Die Nachuntersuchungen zeigten, dass das Training auf allen drei Ebenen wirkte: der körperlichen, der emotionalen und der sozialen. Nach vier Wochen war bei den Teilnehmern der Blutdruck auf Werte abgesunken, als hätten sie zehn Kilo an Gewicht verloren. Eine weitere Studie belegt, dass sich nach vierwöchigem Training je 30 Minuten täglich, der Spiegel des so genannten Jugendhormons (DHEA) um 100% erhöht hatte. Ständiges Herzklopfen verringerte sich binnen drei Monaten, körperliche Verspannungen sanken auf ein Minimum, Schlaflosigkeit, Gefühle von Erschöpfung und Schmerzzustände verringerten sich beträchtlich. Auch auf psychischer Ebene zeigten sich Veränderungen: die Angestellten gaben an, dass die Angst am Arbeitsplatz, Unzufriedenheit, sowie Wut und Ärger beträchtlich abnahmen. Das Training zur Herzkohärenz mit Biofeedback, welches im Folgenden beschrieben wird, kann das Funktionieren des Herz-Hirn-Systems verändern, bzw. beeinflussen und die Harmonie zwischen kognitivem und emotionalem Gehirn wieder herstellen. Die ASI Herzkohärenz Übung nach Sibylle und P. M. Aisenpreis Diese Übung in vier Phasen hat zum Ziel, sowohl den Blutdruck zu senken bzw. zu stabilisieren, als auch die respiratorische Sinus Arrhythmie zu vergrößern. Außerdem kann ein Entrainment Zustand, eine Synchronisation zwischen Atmung und Herzschlag hergestellt werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass die Kurven der Pulswellenver-änderung und somit die vegetative Herzregulation in harmonische Sinuskurven übergehen. Die Verände-rungen können mit dem Stressball Biofeedback- Gerät gemessen und direkt angezeigt werden. 1. Den Körper spüren u. fraktional entspannen Der Übende richtet seine Aufmerksamkeit nach innen und nimmt seinen Körper segmentweise wahr, entweder vom Kopf bis zu den Füßen oder von den Füssen bis zum Kopf. Jedes Körperteil, das er spürt, kann dadurch der Schwerkraft etwas mehr anvertraut werden, so dass der Körper in die Unterlage einsinken kann. Zum Schluss spürt der Übende den Körper als eine verbundene Einheit. 2. Das Herz belüften und entlasten Der Übende atmet in den Brustbereich, und stellt sich vor, dass beim Einatmen entweder von vorn, von hinten oder aus beiden Richtungen frischer Sauerstoff in sein Herz einströmt und der Herzbeutel, die Herzkranzgefäße und der Herzmuskel mit frischem Sauerstoff versorgt werden.Beim Ausatmen visualisiert der Übende, dass Spannung, Schlacke, Schwere, Stress, Angst und andere negative Gefühle sanft seine Herzregion verlassen können. Mit jedem Atemzug kann das Herz in der Vorstellung leichter, luftiger, lebendiger und vitaler werden. Wichtig hierbei ist, dass am Ende der Ausatmung eine kleine Pause erfolgt, so dass der Atem von selbst mit etwas Schwung wieder beginnt. 3. Sich an einen Zustand von Glück, Zartheit, Zärtlichkeit und Liebe erinnern Während der Übende den Körper entspannt und das Herz belüftet, erinnert er sich oder stellt sich einen Zustand von Glück, Zartheit, Zärtlichkeit und liebevollem Umgang mit sich selbst vor. Er beobachtet, wie sich dadurch seine Wahrnehmung des Brustraumes und es Herzens weiter verändert. 4. Obige Wahrnehmungen vom Herzbereich auf den ganzen Körper ausdehnen und geniessen Nachdem obige Schritte installiert wurden, stellt sich der Übende vor, dass sich die Wahrnehmung seines Herzens und seines Brustbereiches auf seinen ganzen Körper ausdehnen kann. Diese Ausdehnung kann sowohl in die Extremitäten fortschreiten, als auch im Kopf-, Rumpf- und Beckenbereich gespürt werden. III. Welche Rolle spielen Emotionen in Psychotherapie und Supervision Schematische Verarbeitung Die verschiedenartigen Komponenten der Emotion tragen jede auf ihre Weise zum emotionalen Erleben bei. Wie aber werden die Beiträge zu einem Ganzen zusammengefügt ? Verschiedene Autoren (Grawe, 1998; Greenberg, Rice & Elliott, 1993; Greenberg und Safran, 1987; Leventhal, 1984) gehen davon aus, dass die unterschiedlichen Informationsquellen durch eine schemageleitete Verarbeitung zum emotionalen Erleben integriert werden. Schemata sind mentale Strukturen, die zielgerichtet (bewusst oder automatisiert) unsere Wahrnehmungen, Erfahrungen und Antworten organisieren. Das Ziel bezieht sich auf Befriedigung von Bedürfnissen. Schemata ermöglichen eine raschere Bewertung der Umwelt, sie lenken unsere Aufmerksamkeit selektiv auf wichtige Aspekte der Umwelt und durch Prozesse der Generalisierung reduzieren sie die Komplexität der Stimuli und ermöglichen uns stabilere Objektbeziehungen zur Welt (Leventhal, 1984). In anderen Worten sind emotionale Schemata „emotionale Reaktionsbereitschaften“ (Greenberg, et al., 1993), welche mitunter Resultat von Lernerfahrungen sind, die auf schematischer Ebene repräsentiert werden. Schemata sind hierarchisch organisiert, abhängig von ihrer Spezifität und Generalität. Schemata, die beispielsweise spezifisch emotionale Erfahrungen im Alltag organisieren, werden auf einer höheren Ebene zu einem Selbstschema zusammengefasst. Individuelle Unterschiede der Affektintensität können unter dem Aspekt kognitiver Operationen angeschaut werden (Larsen, Cropanzano & Diener, 1987) oder auch auf der Ebene von emotionalen Reaktionsbereitschaften. Psychotherapie im Fokus emotionaler Veränderungen Viele Psychotherapieansätze versuchen auf die eine oder andere Art, die Emotionen der Patienten zu verändern. Das Arbeiten an den Emotionen der Patienten wird als „zentrale Heuristik“ (Ambühl, 1989) und als gemeinsamer Nenner verschiedener Therapierichtungen gesehen (Greenberg & Safran, 1987; Kemmler et al., 1991). Kognitive Therapien (Beck, 1976, Ellis, 1962) gehen davon aus, dass irrationale oder dysfunktionale kognitive Einstellungen dem emotionalen Leiden zugrunde liegen und dass Veränderungen der kognitiven Einstellungen dazu führen, dass sich andere Komponenten der Emotion – vor allem das subjektive Gefühl - verändern. Humanistisch orientierte Therapien (Greenberg & Safran, 1981) betonen die Wichtigkeit, dysfunktionale Wahrnehmungen der Patienten zu deaktivieren und zu modifizieren: Greenberg und Safran (1987) unterscheiden demnach zwischen primären und sekundären Emotionen. Primäre Emotionen sind „real“ und „authentic“, ein Ziel der Therapie ist es, mit diesen Gefühlen in Verbindung zu kommen. Sekundäre Gefühle sind gelernt und oft hinderlich für konkrete Problemlösungen, sie sind defensive Copingstrategien. Oft sind sie Antwort „to some underlying process“. Sie unterscheiden sich von primären dadurch, dass sie mehr gedacht als gefühlt werden. Der Prozess-Erfahrungsansatz (Greenberg et al., 1993) geht davon aus, das es sechs Prozesse in der Psychotherapie gibt, die die Emotionen verändern: 1. Anerkennen von emotionalen Erfahrungen (Acknowledging): Damit ist gemeint, dass Patienten mehr Einsicht in ihre primären Gefühle8 (Wut, Traurigkeit) gewinnen und deren Existenz akzeptieren lernen. In Anlehnung an Abelson (1963) geht es darum, kalte (rationale) Kognitionen zu warmen (lebendigeren und gefühlvolleren) Kognitionen zu ändern. Verbunden sind damit auch die Implikationen dieser Gefühle für Handlungstendenzen, die ebenso anerkannt werden müssen (Wut verlangt nach dem Ausdruck der Wut und nach einer entsprechenden Handlung). 2. Konstruktion von Bedeutung (Creation of meaning): Die neu erfahrenen Emotionen werden in einen neuen konzeptuellen Rahmen integriert. Dieser Prozess wird nicht intellektuell verstanden, es handelt sich um ein integrieren des „bodily felt sense“ (Gendlin, 1974). 3. Gefühlserregung (Arousing affect): Während therapeutischen Veränderungsprozessen können sehr intensive primäre Gefühle (emotionale Episoden) erlebt werden, die eine kognitive Neuorganisation begünstigen. 4. Verantwortung übernehmen (Taking responsibility): Dieser Prozess schliesst sich den vorherigen direkt an und bedeutet, den "Locus of control" von einer äusseren zu einer inneren Quelle zu verschieben und so die neu erlebten Gefühle als die eigenen zu erfahren. 5. Maladaptive emotionale Reaktionen ändern (Modifying maladaptive affective responses): Maladaptive emotionale Reaktionen können grosse Schwierigkeiten verursachen (zum Beispiel Agoraphobie oder Gefühle der Wertlosigkeit) und können am besten dann modifiziert werden, wenn sie in der Therapie aktualisiert werden. 6. Emotionaler Ausdruck in der therapeutischen Beziehung (Emotional expression in the therapeutic relationship): Wenn Patienten mit der andauernden therapeutischen Wertschätzung konfrontiert sind, werden schematische und konzeptuelle Neuorganisationen eingeleitet, in dem Sinne, dass negative Selbstschemata geändert werden. Im weiteren können Patienten lernen, dass ihr emotionaler Ausdruck nicht zu einem Abbruch der therapeutischen Beziehung führt (modifiziert übernommen aus Greenberg & Safran, 1987). Die Wirkung der Psychotherapie beruht nach Grawe (1998) zu einem wesentlichen Teil auf der Abschwächung motivationaler Vermeidungsschemata und auf der Förderung positiver intentionaler Schemata. Motivationale Vermeidungsschemata bilden sich um Ziele, die vermieden werden müssen. Annäherungen an Vermeidungsziele lösen negative Emotionen aus und verstärken psychische Aktivitäten im Dienste der Vermeidungsaktivitäten. Vermeidungsschemata sind an sich sehr wichtig, um realen Gefahren aus dem Wege zu gehen, doch können diese auch die Entwicklung intentionaler Schemata (und damit die Erfüllung von psychischen Grundbedürfnissen) behindern. Die Veränderung der Vermeidungsschemta geschieht in klärungsorientierten Therapien zum Beispiel im Sinne von Greenberg und Safran (1987) oder auch mittels des Explizierungsprozesses von Sachse (1992; siehe Kapitel 0), bewältigungsorientierte Therapien sind eher indiziert, wenn die Vermeidungsintentionen schon bewusst sind. Die beschriebenen Veränderungsprozesse können auch in der Perspektive der emotionalen Regulation betrachtet werden. Bradley (1990) geht davon aus, dass alle Therapierichtungen inklusive der Pharmakotherapie versuchen, emotionale Regulationsprozesse zu beeinflussen. Das vorgestellte therapeutische Veränderungsmodell von Greenberg und Safran (1987) beinhaltet Prozesse, die den emotionalen Regulationsprozess insofern verändern, als dass bisher vermiedene Emotionen evoziert und integriert werden. Dadurch entstehen neue emotionale Reaktionsmöglichkeiten, die eine bewusstere Anpassung an problematische Situationen ermöglichen. In anderen Worten, die Anerkennung von (negativen) Emotionen ermöglicht Patienten einen flexibleren und kompetenteren Umgang mit ihren Emotionen, weil ihr Funktionieren weniger von Vermeidungsschemata bestimmt wird. Greenberg/Safran: (Text von Markus Frauchiger) Bezogen auf die Anwendungswissenschaft Psychotherapie heisst das: 1. Traditionelle psychotherapeutische Sichtweisen von Emotionen: a) Psychoanalyse: Emotion wurde ursprünglich bei Freud als psychische Energie verstanden. Abreaktion, der unterdrückte Ausdruck und die Analyse von Abwehrmechanismen standen bei Wilhelm Reich im Mittelpunkt der Therapie. Neuere kathartische Ansätze (z.B. Janov) fördern sehr oft nur noch den reinen Gefühlsausdruck (Katharsis), leider ohne nachträgliche Analyse und Integration der Abwehrformen und deren Durchbrechung. Uebertragungsneurose und -deutung sowie die "korrigierende emotionale Erfahrung" wirkten gemäss Alexander/French (1946) heilend. Die Objektbeziehungstheorie (z.B. Kernberg 1988, Cashdan 1990, Sullivan 1980) sieht Emotion als motivationale Handlungstendenz an, welche den Organismus mit seiner Umwelt verbinden kann. Die darauf aufbauende Interpersonale Therapie fördert die Wahrnehmung eigener "interpersoneller Wünsche" und deren spontaner Ausdruck (z.B. Benjamin 1994). b) Verhaltenstherapie: Hier werden Emotionen eher als unerwünschte Nebenwirkung (z.B. Angst oder Depression) gesehen. Das Ziel ist denn auch die "Ent-Konditionierung" und Erreichung eines rationalen Umgangs mit diesen gelernten Reaktionen (z.B. Skinner 1953, Rachmann 1980). Beliebte Techniken sind die Reizkonfrontation oder die Systematische Desensibilisierung. c) Kognitive Therapie: Emotionen werden gesehen als "postkognitives Phänomen". Die Bedeutung/Bewertung eines Ereignisses bestimmt die emotionale Reaktion (Beck 1976, Ellis 1962). Automatische Gedanken oder "irrational beliefs" werden quasi wegrationalisiert und durch neue, funktionale Schemata (z.B. Grawe 1995) ersetzt. Es gibt innerhalb der kognitiven Psychologie aber auch eine Gegenposition, welche eine "primacy of affect" (Zajonc 1984) postuliert. Im Gegensatz zu Lazarus ("primacy of cognition" 1984), sehen diese Forscher Emotionen als ein von Kognitionen weitgehend unabhängiges System an (s.u.). d) Gesprächstherapie: "Experiencing" (Rogers 1959) als zentrales Konstrukt: "receive the impact of sensory and physiological events occuring in the moment" (Greenberg & Safran 1987). Affekte werden gesehen als ein Orientierungssystem, welches den Organismus mit wichtigen Informationen über sich und die Umwelt versorgt. e) Gestalttherapie: Emotionen sind direkte und unmittelbare (aber auch evaluative) Erfahrungen des Organismus/Umwelt-Feldes (vgl. auch Lewin 19??). Mittels dieser "experiences" entscheidet der Mensch über wichtig und unwichtig (Figur/Grund in der Gestaltpsychologie). Diese Gewissheit der Wahrnehmung ("awareness" bei Perls et al. 1951) wird unterbrochen, wenn Emotionen vor ihrem Eintritt ins Bewusstsein "abgeblockt" werden. Dementsprechend geht es oft darum, Gefühle überhaupt erst einmal wahrnehmen zu lernen, ihre subjektive Bedeutung (ihren "Sinn") zu erkennen und dann den geeigneten Ausdruck dafür zu finden (z.B. Polster/Polster 1973, Perls 1973). 2. Empirische Befunde: a) Emotionaler Ausdruck: Studien zu Katharsis (z.B. Bohart 1993, Green/Murray 1975) bestätigen die Wichtigkeit des Gefühlsausdrucks, wenn auch nicht als Allerheilmittel. b) Emotions-Konfrontation (Erregung): Emotionaler "Arousal" bewirkt meist eine Angstreduktion bei Angststörungen (vgl. Reizkonfrontation, "Flooding"), auch wenn deren Funktionsweise weitgehend unbekannt ist... c) Experiencing: Insbesondere in der Gesprächstherapie stellt sich diese Technik als sehr effektiv heraus (z.B. Orlinsky/Howard 1978, Klein et al. 1986), wenn auch nicht in jedem Fall und oft erst gegen Ende der Therapie (Rice/Greenberg 1984). Da die Befunde zu den genannten Einzelphänomenen nicht ausreichen um Emotionen für die Psychotherapie fruchtbar zu machen, entwerfen die Autoren ein Differentielles Modell mit der Hauptfragestellung: "What type of emotional processing problem in therapy can best be corrected by what kind of intervention? Emotionszentrierte Interventionen Greenberg und Safran plädieren für einen differentiellen Ansatz in der Psychotherapie, d.h. nicht jede Methode ist für jedes TherapeutIn/KlientIn-Paar geeignet. Mittels einem prozessual-diagnostischen Vorgehen (z.B. Rice/Greenberg 1984) kann die "beste" Technik ausgewählt werden. Die Autoren unterscheiden fünf Klassen von emotionalen Interventionen: a) synthesizing emotion: Erkennen und akzeptieren zuvor nicht integrierter oder abgewehrter Emotionen mit dem Ziel der erhöhten "awareness" (mittels Focusing oder Wahrnehmungsübungen). b) evocation of emotions: Intensivierung der empfundenen Zustände, zur Motivierung neuer Verhaltensweisen (mittels erlebnisaktivierender Methoden). c) emotional restructuring: Hervorrufen des "verdeckten" Netzwerkes problematischer Reaktionen um dieses neu zu strukturieren (mittels z.B. Verhaltensmodifikation). d) accessing state-dependent core beliefs: Wenn die aktuellen Erfahrungen genügend tief erlebt werden, ist es möglich, zustandsabhängige "hot cognitions" (automatische Gedanken) bewusst zu machen und ihre Bedeutung zu verstehen (kognitive oder psychoanalytische Methoden). e) modification: Falls ein maladaptives emotionales Muster gefunden wird, muss diese "negative Lerngeschichte" ("negatives emotionales Schema", Grawe 1995) modifiziert werden: Expositionstherapie, Kognitives Umstrukturieren, Ueben und verstärken von neuen Reaktionsmöglichkeiten. 4. Kategorien emotionaler Zustände und Reaktionsmuster a) biologically adaptive primary affective responses: Primäremotionen (s.o.), welche meist unbewusst ablaufenden Prozesse sind. Diese sind gemäss den Autoren immer adäquat und gesund, weil sie kognitiv unbeeinflusst ablaufen und unser biologisches Fundament bilden (s.o.), also nicht gelernt werden müssen. Mittels erlebnisaktivierender Methoden können solche Grundemotionen hervorgerufen werden, falls sie "verschüttet" wurden. b) "secondary" reactive emotional responses: Diese Gruppe von Emotionen entspricht nicht mehr der organismischen, weil dysfunktional gewordenen, Reaktion (z.B. Ausdruck von Wut, wenn eigentlich Angst gefühlt wird). Sie müssen wennmöglich "umschifft" oder aber die dahinterliegende primäre Emotion aufgedeckt werden. c) instrumental emotional responses: Dies sind manipulativ eingesetzte Emotionen, welche erkannt und konfrontiert werden müssen. Ihr Zweck und ihre subjektive Bedeutung muss interpretiert werden und wenn möglich durch direkte, primäre Emotionalität ersetzt werden (z.B. mittels "hot seat"). d) learned maladaptive primary responses to the environment: Traumatische Ereignisse können Primäremotionen leider manchmal beeinflussen. Solche (frühkindlichen) Reaktionsmuster sind sehr schwer therapierbar (siehe aber Ansätze zur PTSD-Behandlung sowie die Therapie "früher Störungen", z.B. Kernberg 1988). Es ist unschwer zu erkennen, dass es darum geht, wenn immer möglich, die natürliche, organismische, primäre Emotion wahrzunehmen (awareness) und dann ihren Ausdruck zu finden und zu fördern. Kognitive Arbeit ist dann zusätzlich nötig, wenn dieser Zugang nicht gelingt, weil er durch Zustände in der Form b), c) oder d) quasi versperrt ist. 5. Emotionstherapie nach Greenberg et al 1993 Wenn die Indikation zu einem emotionszentrierten Vorgehen gegeben ist, stellen sich die Autoren in etwa den folgenden konkreten Ablauf vor. Dieser basiert auf einer "Destillation" essentieller Interventionen aus den folgenden humanistischen Therapieformen: Focusing (Gendlin 1981), Gestalttherapie (Perls et al. 1951, Polster/Polster 1973) und Gesprächstherapie (Rogers 1959): a) directing attention to inner experience: Fokussieren und beibehalten (ev. direktiv) der Aufmerksamkeit auf dem inneren Erleben. Wirkt vertiefend und Bedeutungs-fördernd. b) refocusing on inner experience: Wiederfinden der "inneren Spur", wenn der Kontakt zur körperlich wahrgenommenen Erfahrung verlorengeht (Gendlin 1981). c) encouraging present centeredness: a) und b) ermöglichen ein zunehmendes Fokussieren "to what is occuring internally right now" (sensu Perls), auch wenn es sich z.B. um eine Erinnerung handelt. "Its present liveliness is of greatest importance" (Greenberg/Safran 1989). d) analyzing expression: Beobachtungen der meist nonverbalen Signale (Mimik, Gestik, Seufzer etc.) mit dem Ziel, den affektiven Status zu erkennen. Gerade Menschen mit einem schlechten Kontakt zu sich selbst, können so zu ihren scheinbar nicht gefühlten Gefühlen gefürt werden. e) intensifying experience: "Nachhelfen" durch Agieren lassen von Emotionen (durch physische Aktivität wie schlagen, schreien o.ä.) . Die so ausgedrückte Emotion wird lebendiger und klarer erkennbar in ihrer subjektiven Bedeutung. Dieses Vorgehen sollte aber nur von erfahrenen TherapeutInnen gewählt werden. f) symbolizing experience: Erschaffen neuer Bedeutungen, indem zunehmend auf konkreter Erfahrung aufgebaut wird, anstelle von "Glaubenssätzen". g) establishing intents: Hier geht es um die konkreten Möglichkeiten, welche zur Erfüllung der emotionalen Wünsche und Ziele zur Verfügung stehen: "The establishement of intentions forms the bridge between subjective experience and action in the world". IV. Integration von kognitiven und physiologischen Theorien - ein Versuch Welche Konsequenzen können wir folgern aus den vorangegangenen Erkenntnissen aus psychologischer und neurowissenschaftlicher Forschung ? Etwas vereinfachend können wir sagen, dass die kognitiven Theorien aus der Psychologie sich mit der kortikalen Verarbeitung von Emotionen befassen (Bewertung, Bewusstmachung etc.) und die physiologischen Theorien die subkortikalen, also die limbischen und die Stammhirn-Strukturen oder peripheren Komponenten (unbewusst, automatisch, unwillkürlich) von Emotionen erklären. Es leuchtet also ein, dass erst die Integration beider Erkenntniswege die Entstehung und Aufrechterhaltung von Emotionen genügend beschreiben. Insofern gibt es auch erstaunlich wenig Widersprüchliches beim Vergleich der Erkenntnisse. Die Ergebnisse ergänzen sich vielmehr und bedingen einander. Dies kommt uns in der Anwendung (Kapitel V) zugute. Die integrierende Funktion der Emotionen oder: Eine ganzheitliche Theorie der Gefühle oder: "Trinity", die Dreifaltigkeit, die Dreieinigkeit von Körper, Seele und Geist: Emotion/Gefühl/Seele Mensch = Soma/Körper - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Kognition/Denken/Mentales/Geist = Körper-Seele-Geist-Wesen in Zeit und Raum Die gestrichelte Linie bedeutet für meine Person: Verbindung zwischen Soma und Kognition ist zwar möglich, aber nicht selbstverständlich, muss also immer wieder neu erarbeitet bzw. erspürt werden. Der Schlüssel dazu sind (für mich jedenfalls) die Gefühle als dritte Instanz, welche vermitteln können zwischen sozusagen Himmel (Geist) und Erde (Körper). Dazu ist ab und zu ein konkret-physisches Gegenüber lebensnotwendig, weil ich sonst zerfallen würde in die beiden Teile a) leere, leblose Körperhülle und b) körperloses, abgehobenes Geistwesen. Danach kann ich gut ein, zwei Wochen ganz alleine und für mich sein (so wie diese Woche), weil die Gefühlsdimension dann anhält, aber eben auch wieder erneuert werden muss, weil sonst ein nicht vollständiges, seelenloses Wesen entstünde, das zombieähnlich wandeln würde auf dieser Erde und nur schwer inkarnieren (= in carne = in den Körper kommen, den Körper beseelen; hat mit Reinkarnation also erstmal nichts zu tun) würde. Anders ausgedrückt (etwas pathetisch zwar aber dennoch stimmig, wie ich finde): Der Mensch wird zum Menschen durch den Mitmenschen. Ich benutze bewusst immer wieder verschiedene Worte für ein- und dasselbe, um die Universalität aufzuzeigen: es sind verschiedene verbale und historische Traditionen/Philosophien/Wissenschaften dahinter, diese treffen sich in diesem Modell meines Erachtens sehr schön und friedlich, obwohl sie oft für inkompatibel zueinander erachtet werden, was m.E. gar nicht stimmt, wenn Uebersetzungsarbeit geleistet wird: die theologisch-spirituelle Sichtweise und die psychologisch-emotionale, welche ja oft genug unversöhnlich nebeneinanderstehen; das Weltliche und das Sakrale, die Psychologie und die Esoterik, das männliche und das weibliche, Plus und Minus, Heiss und Kalt etc. etc., die Liste liesse sich beliebig weiterführen. Es sind immer wieder zwei gegensätzliche, unterschiedliche Sichtweisen, welche hier integriert zueinanderfinden. Dieses Ineinanderführen von verschiedenen Denkrichtungen ist mir seit vielen Jahren ein sehr grosses professionelles und wissenschaftliches Anliegen und eigentlicher Hauptbestandteil meiner Arbeit mit Menschen: Dialog ermöglichen über scheinbare Barrieren (kulturelle, sprachliche, weltanschauliche, geschlechtsspezifische, familiäre, professionelle etc.) hinweg. Und so finden auch wir beide immer wieder zueinander, wenn wir uns einlassen auf diesen Prozess des Aufdröselns, Analysierens, Erlebens und Nachspürens, bis alle (drei) Ebenen integriert werden und dann auch Irritationen, welche entstehen durch eine Einseitigkeit der einen oder anderen Dimension, wegfallen, weil die Ganzheit wahrgenommen wird, durch ein stimmiges Gefühl, durch schlüssiges Denken und ein körperliches Wohlgefühl. Zwischendurch kann es auch ganz schön sein, eine gewisse Einseitigkeit zu leben, z.B. in der körperlichen Extase wo Gefühl und Denken zurücktreten (Sexualität), im gefühligen Dusel der gleichgeschalteten Masse (wie beim Papst-Event) wo Denken und Körper zurücktreten oder dann in der angeregten Diskussion (wie eben gestern am Telefon), wo Körper und Gefühl zugunsten des Geistes temporär zurücktreten, temporär ist dabei eben sehr wichtig. Wichtig erscheint mir, dass nach solchen Zuständen (zeitlich und örtlich versetzt), die beiden jeweils im Hintergrund sich befindenden Dimensionen wieder ihren Platz bekommen, weil erst dann die Begegnung eine wirklich Ganzheitliche wird, ohne das Vorhergehende abzuwerten. Die Zeitdimension und die örtliche Komponente sind weitere Ebenen, welche zur Ganzheitlichkeit beitragen: es braucht also immer wieder viel freie Zeit und immer wieder geeignete Orte, damit diese feinen Prozesse sich entfalten können; mitten im Alltag der Grossstadt ist dies viel schwieriger als in der Ruhe der von Alltagspflichten befreiten Abgeschiedenheit der Retraite, wie ich sie hier im Glarnerland vorfinde; in dieser äusseren Ruhe kommt auch die innere Ruhe hervor und die drei Wesensdimensionen des Menschen finden wieder zueinander und führen zu Frieden, Zuversicht und Mitmenschlichkeit. Diese Gedanken und Gefühle und Körpersensationen wie ich sie oben im Modell darstelle, bilden im Moment eine für mich stimmige Gesamtschau der in den letzten Tagen erlebeten Phänomene und lassen mich zufrieden meine Pflichten angehen die auch anstehen diese Woche. Ich kann jetzt loslassen in dem guten Gefühl, dass es uns auch in Zukunft immer wieder gelingen wird, zueinander zu finden über die entstandenen Irritationen hinweg, weil ich die Bereitschaft zum prozesshaften, dynamischen und angstfreien Erleben-Wollen bei uns beiden spüre und das ist das wichtigste: nicht die jederzeitige Perfektion, sondern das auf dem Weg sein, jeden Tag, so unvollständig es sich zunächst anfühlen mag, im ganzheitlichen Wissen darum, dass dieser Weg selber schon das Ziel ist. Ein Schritt weiter ("jetzt wird's konkret") oder: Die Y-Theorie des Handelns (ein "Eigengewächs") Physiologie (egoistisch) Kognition (trennend) - - - - - - - - Emotion (integrierend), erzeugt über beide "Wege" (vgl. ZweikomponentenTheorien) Handeln (flexibel) Literatur: Benjamin, LS (1994). Interpersonal Diagnosis and Treatment of DSM Personality Disorders. New York: Guilford. Bösel, Rainer (2000). Neuropsychologische Grundlagen der Emotion. In: Otto, Jürgen H. et al. (2000, Hrsg.). 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